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„Das war wohl ein Meuselwitz“
ZFC Meuselwitz 2:0 (0:0) Eintracht Braunschweig II
22.09.2010, 17.00 Uhr, bluechip-Arena (Meuselwitz), 919 Zuschauer
Habe ich im gestrigen Spielbericht vom souveränen Sieg gegen Erfurt noch von "englischen
Wochen" geschrieben? Das stimmt natürlich im Grundsatz schon, "ostdeutsche Wochen" würden
den Nagel aber ebenso auf den Kopf treffen. Denn schon am Mittwoch hieß es erneut zum
Stadion fahren, auch wenn hier nur der Startschuss für ein größeres Projekt in Aussicht
stand: Auswärtsspiel der Zweiten in Meuselwitz! Ja, liebe unwissenden Leser: Meuselwitz
gibt es wirklich und ist keine Fußball-Fiktion aus irgendeiner billigen TV-Produktion,
der "Zipsendorfer Fußballclub Meuselwitz" existiert und spielt in der Regionalliga Nord,
genau wie Eintrachts U23. Da gehören die natürlich nicht gerade zu den Leuchten der
Liga und daher war das Spiel sportlich absolut wichtig in Sachen Klassenerhalt und
weil der Kultground ja ohnehin noch fehlte, wurde der Besuch bereits bei der Spieltagsterminierung
zur absoluten Pflicht. Auch die Ansetzung auf Mittwoch 17 Uhr änderte da zumindest
für mich wenig, die arbeitende Bevölkerung dürfte ob der fehlenden Stromversorgung
im Meuselwitzer Stadion dafür durchdrehen. Und so fand sich eine durchaus spontane
Reisegruppe um OnkelTom zusammen, der sein Versprechen, heute sogar auch fahren im
Sinne von "fahren" zu wollen, einhielt. Und so stiegen neben mir noch Eddy und Nick
gegen Mittag an der Shell-Tanke bei schönstem Wetter in den Komfort-Golf des Familienvaters,
wobei mir, als einzigem potentiellen Trinker der Fahrt die Ehre zu Teil kam, vorne
sitzen zu dürfen. Die anderen hatten nicht so den akuten Durst entwickelt und gaben
sich lieber mit den Hustenbonbons des Wanderer zufrieden - ist mir ja auch egal.. :-)
Die Fahrt verlief dank eines angekündigten Staus auf der A2 über die Bundesstraße
gen Harz und weil da wirklich nie Verkehr ist, steuerte man entspannt und fix dem
Tagesziel entgegen. Zur Orientierung: Meuselwitz liegt mit seinen 11.385 Einwohnern
im Altenburger Land und somit in Thüringen, wobei auch Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht
weit sind. Es ging also zunächst an Halle vorbei, ehe die A9 irgendwann in Richtung
Nirvana verlassen wurde. Und ein paar Dörfer der Marke "hier ist der Hund begraben
und Internet ein Fremdwort" später erklärten Navi und Ortsschild gleichermaßen, man
hätte Meuselwitz erreicht. Das Kulturprogramm beschränkte sich dennoch auf einen
geschlossenen Bahnübergang inklusive vorbeizuckelnem Bummelzug, auch wenn Wikipedia
durchaus einige Sehenswürdigkeiten ausweist, schließlich beschreibt das im Vereinsnamen
vorkommende "Zipsendorf" den historischen Kern der Stadt. Naja, vielleicht mal in der
Prisma Ausschau halten, wann die nächste Kaffeefahrt für "junggebliebene Senioren"
eine Fünf-Sterne-Fahrt nach Meuselwitz anbietet...:-)
Soweit ins Detail wollte ich dann auch gar nicht gehen, wir sind schließlich wegen "der
schönsten Sache der Welt" zum "Arsch der Welt" gefahren und damit auch gleich in der wieder
in der bitteren Realität angekommen: "bluechip-Arena" stand auf den Schildern in
Richtung Stadion geschrieben, Willkommen im modernen Fußball, der auch vor der thürgischen Provinz
keinen Halt gemacht hat. Das Auto also strategisch gut in einer Seitenstraße abgeparkt, noch kurz
am lokalen Kindergarten durch einen Park spaziert und Willkommen vor den Toren der Heimat des ZFCs.
Wie man sich wohl spätestens jetzt vorstellen kann, ticken die Uhren hier noch etwas anders und so betrat
man am Eingang "Sektor Grün" das Stadion und fand sich damit auf der kleinen Gegengerade (ein paar bestuhlte Sitzreihen)
wieder. Das war zwar nicht der eigentliche Gästebereich, da der aber in Käfigmanier hinter dem Tor angedacht
war und preislich nur einen Euro Unterschied zur Gerade hatte, entschieden sich die 26 Braunschweiger halt für die bessere Sicht und den Komfort.
Letztlich wäre das aber auch so völlig egal gewesen, eine räumliche Trennung zwischen jeglichen Steh- und Sitzbereichen
fehlte ohnehin und somit konnte jeder überall hingehen, wie es gerade passte. Unser Weg führte dabei obligatorisch
zunächst zur Getränkebude, die im Verlauf des Abends noch mehrfach um Altenburger Lagerbiere zu je zwei Euro in netten und
pfandfreien ZFC-Bechern erleichtert wurde. Passender Weise saßen an der Bude auch schon die Elche und auf der Tribüne dann noch
die Familysten - ein Stell-Dich-Ein der guten Laune bei schönstem Wetter, das macht doch Spaß. Spaß machte es auch,
Nick bei der Bestellung seiner Cola zuzuschauen, da die Verkäuferin doch der festen Überzeugung war, dass es "Cola hier nicht geben würde - dafür Fassbrause." :-)
Da der Anpfiff langsam näher rückte, platzierte man sich mit entsprechenden Bierträgern im Gepäck langsam in Richtung Plätze, wobei selbige
aufgrund noch durchaus großer Lücken nur bedingt eingenommen worden und die Banner mangels passender Vorrichtungen ebenfalls im Rucksack blieben. Man will
ja die Sponsoren mit ihren Werbetafeln nicht vergraulen (dabei war übrigens sogar Microsoft, noch nie in einem Fußballstadion gesehen!), denn schließlich haben die Geldgeber in der "Arena", die eigentlich mal Glaserkuppe Zipsendorf hieß,
ein durchaus nettes Stadion erreichtet. Für die lokalen Verhältnisse ist der Bau mit einer Haupttribüne mit Steh- und Sitzplätzen, sowie der beschriebenen
Sitzplatzgeraden und den Hintertorbereichen absolut ausreichend und irgendwie auch sehr nett, sowas würde ich mir mal irgendwann als Jugendstadion auf der
Kälberwiese wünschen :-). Den Grundstein für ein Jugendstadion könnte man übrigens auch direkt aus Meuselwitz importieren, der Verein bietet schließlich
die alten Stehtribünen aus Holz via Internet für einen unteren vierstelligen Betrag an. Mitlesende Vereine also aufgepasst und zugeschlagen :-)!
Zum Einlaufen der Teams machte man sich dann auch nach kurzem Zögern ein erstes Mal mit dem gewohnten "Eintracht"-Schlachtgesang bemerkbar und sorgte damit
für das Unterhaltungsprogramm der kommenden neunzig Minuten. Während sich auf dem Platz nämlich reichlich wenig tat (beide Teams neutralisierten sich in ihrer
eher mauen Vorstellung doch bestens..), bekam man in unserem selbst-deklarierten Gästeblock fortan die wahre Pöbel-Champions Leauge zu Gesicht, wobei sich
beide Parteien nur wenig schenkten. Konkrete Details können, sofern sie denn noch im Kopf gespeichert sind, mal bei Gelegenheit persönlich erfragt werden - Fakt ist,
dass man sich spätestens zur Halbzeit sowohl mit den Zuschauern von jung (die Dorfultras "ZFC-Supps") bis alt (Pöbelrentner), als auch mit den durchaus zugänglichen
Heimspielern bestens angelegt hatte. Chemnitz-Trainer Gerd Schädlich, der ein paar Reihen vor uns Platz genommen hatte und das Spiel observieren
wollte, bekam bei der Gelegenheit dann auch gleich mal sein Fett weg und das Ergebnis war eine erste Kartenkontrolle der lokalen Anabolika-Ordner zur Pause, die
sich einfach nicht vorstellen konnten, dass wir tatsächlich Karten für die Tribüne hatten. Hatten wir aber fast durch die Bank weg (Baller-Uwes Crew kam unerwartet noch später und wusste natürlich
nichts vom Meisterplan..) und somit wurde auf den Plätzen verharrt. Letztlich eine zwar konsequente, aber auch irgendwie provokante Haltung, denn nachdem Meuselwitz
eine gute Viertelstunde vor Ende durch Bocek (Bocek, immer wieder Bocek...:-)) in Führung ging, war Polen natürlich auf beiden Seiten offen. Das entscheidene 0:2 kurz
vor Ende machte die Lage nicht besser und während Meuselwitz sportlich gewann, triumphierten wir auf der Tribüne, was ein heimischer Nervbold nicht ganz verkraftete
und die Polizei rief. Natürlich sau dämlich, insbesondere da der Typ ernsthaft meinte, von jemandem bespuckt worden zu sein und sich dafür auch halt irgendwen rauspickte.
Der "Auserwählte" war über die definitiv falsche Unterstellung natürlich gar nicht erfreut und so entwickelte sich eine recht turbulente Situation inklusiver zweier Personalienfeststellungen, die dann aber letztlich im Frieden endete - ist
doch alles nur ein Spiel, Leute!
Mit etwas gemischten Gefühlen (ein Teil der Reisegruppe erbost, der andere betrunken, der Rest beides) ging es also wieder zurück zum Auto, wo man dann aber nochmal ein letztes Mal das
ganz große Kino geboten bekam: Man war gerade im Begriff, den Meuselwitzer Märchenwald zu verlassen, als ein junger Herr mit Kaputzenpullover und ZFC-Schal an meine Beifahrerscheibe
klopfte. Ich, jetzt natürlich voll auf Versönung getrimmt, öffnete brav und bekam in wirklich absolut freundlichem Ton die Frage, "was denn nun mit dem Match sei?" Diese, wirklich
wie selbstverständlich vorgetragene Frage haute einen dann doch um und recht verdattert erwiderte man: "Ähm, ja nix..", was der gute Typ wiederrum mit einem "Okey" beantworte und mit seinen
zwei Kumpels von dannen zog.. Unglaublich, selten so eine Szene erlebt - Obelix würde wohl zu Asterix sagen: "Die spinnen, die Römer.." :-) Der Rückfahrt stand nun in jedem Fall nichts mehr
im Wege und nachdem noch ein paar Gute-Nacht-Getränke eingeholt wurden, wurde der heimische Mastbruch dann irgendwann auch erreicht. Kult-T(o)ur gemacht! :-)
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