TITELBLATT | AUTOR | INHALTSVERZEICHNIS | KLAPPTEXT | VOM SELBEN THEMA

„Wir sind halt die Besten der Liga!“

 

Kickers Offenbach 2:2 (2:0) Eintracht Braunschweig
12.11.2010, 20.15 Uhr, Stadion am Bieberer Berg (Offenbach), 9.439 Zuschauer

Ein Topspiel zur Primetime am Freitagabend! Wann hatten wir zuletzt eine derart spannende und vielversprechende Ausgangslage, der Tabellendritte (wir) zu Gast beim Tabellenzweiten, den Kickers aus Offenbach, die sich nach der ersten Phase der Saison neben Rostock zum wohl ärgsten Konkurrenten um den Aufstieg aufgeschwungen hatte. Punktetechnisch steht man minimal voneinander entfernt und über die grundsätzliche Attraktivität eines solchen Duells zweier Traditionsvereine muss ich ja nicht viel Worte verlieren. Okey, der Bieberer Berg war noch nie ein wirklich vielversprechendes Pflaster für den BTSV, aber die zuletzt ja schon fast unheimlich konstant guten Leistungen ließen schon die wildesten Spekulationen zu. Genug also der Einleitung, bereits zwei-drei Tage vor dem Spieltag stieg das Lampenfieber und so konnte man das Ende der Praxiseinheit in der Hildesheimer Uni gar nicht erwarten und wartete entsprechend überpünktlich auf den Nach-Hause Transfer in Richtung Braunschweig am Bahnhof. Dummer Weise wartete man dort nahezu alleine, die Bahn hatte mal wieder einen "Personenschaden" zu vermelden und der angesetzte Zug war auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Nerven also entsprechend am Boden und schlussendlich wurde in einem Akt von Verzweifelung halt über Hannoi und mit einem kostenpflichtigen Schnellzug gefahren, so dass man ziemlich genau drei Minuten vor der angesetzten Abfahrt die Autovermietung bei Voets erreichte. Was für ein Ritt, immerhin war ich nicht der Einzige mit derartigen Problemen und daher verzögerte sich die Abfahrt ohnehin minimal. Auch Logistikfragen mussten schließlich noch geklärt werden, der Stadionfan gab schließlich heute sein Saisondebut (oder Comeback?) im Ballerbus und weil man als angehendes Schülervorbild ja soziale Kompetenzen zeigen muss, räumte man freiwillig den Stammplatz in der letzten Reihe, so dass Henning auch mal wieder in den Genuss einer Fahrt mit Clemens kommen sollte. Letzterer war darüber zwar etwas irritiert, fand sich mit dem Schicksal aber genauso schnell wieder ab, wie Nadine und Maik, die mich fortan in Reihe eins neben sich begrüßen durften. Gibt's schließlich auch nicht so oft und mit entsprechend viel Gesprächsstoff war man in den folgenden Fahrtkilometern versorgt. Und auch sonst ist der Unterhaltungsfaktor in dem "Ruhezentrum" vorne neben dem Steuer doch ganz beträchtlich, hört man endlich mal aus neutraler Perspektive, was dahinten zum Teil so skuriles erzählt wird - filmreif! Filmreif war ansonsten auch der Stau auf der Gegenseite auf Höhe Göttingen von bestimmt gut und gerne zehn Kilometern - einem solchen konnten wir aber zum Glück bis zum Erreichen Offenbachs entgehen.

Die Stadt im Schatten von Frankfurts Skyline wurde schließlich bei endgültiger Dunkelheit und leider auch äußerst wechselhaftem Wetter erreicht, so dass man sich entschied, schon im Vorfeld des Spiels noch etwas Zeit mit dem Getränkekauf für die Rückfahrt aufzuwenden. Das gelang an einer Araltanke ganz gut, lange verweilte man dann aber dennoch nicht, schließlich hatten sich nur wenige Minuten vorher irgendwelche blau-gelben und rot-weißen Schalträger in den Haaren gehabt und mussten jetzt von der Polizei versorgt werden. Also ging's weiter im Anfahrtsstau und auch hier sollten die nächsten Scharmützel folgen, da nur wenige Meter vor uns der Cattiva-Bus in eine kleinere Auseinandersetzung mit Offenbacher Hauern verwickelt war. Oldschool-Nummer, deren genauen Ausgang man aber nur bedingt verfolgen konnte und sich stattdessen in Richtung Parkplatz schlängelte. Hier gab es entgegen der eigenen Erwartungen auch noch eine gute halbe Stunde vor Anpfiff genügend Stellplätze und so wurde fix geparkt und zu Fuß die letzten Meter zum Berg erklommen. Der Weg führte dabei wie üblich durch den Wald, der jedoch dank des Dauerregens arg gelitten hatte und sich zu einem besseren Rugbyspielfeld der Marke "Supermatschig" gewandelt hatte. Die Schuhe waren damit schonmal halbwegs im Eimer, wenigstens stand man mit dem Schicksal aber nicht alleine da.

Im Gästeblock war dann wenige Minuten vor Anpfiff schon ordentlich was los, am Ende waren es wohl gut 1.000 Braunschweiger, die den Weg trotz Livespiel und Werktag gen Süden geschafft hatten. Hätte ich im Vorfeld so nicht unbedingt erwartet, erfreute aber in jedem Fall. Die Gegenseite war hingegen eine reine Enttäuschung, am Ende wurden etwas über 9.000 Zuschauer als Gesamtbesuchszahl angegeben - unter den geschilderten Bedingungen ganz schwach! Das gleiche Spiel hätte an der Hamburger Straße wohl nah am Ausverkauf gekratzt und gerade der Umstand, dass unter der Woche die OFC-Legende Waldemar Klein verstorben war, hätte doch so manches Gesicht wiedermal ins Stadion locken können. Grund genug also, heute erst recht drei Punkte mitzunehmen und so postierte man sich im Dauerregen auf dem Stahlrohrteil der Tribüne und wartete auf den Intro. Der fiel dann recht unspektakulär aus, Cattiva steckte noch in einer Polizeikontrolle und die Heimseite zeigte leidiglich ein großes Trauerspruchband, welches dann noch mit einer Gedenkminute beendet wurde. Die wurde von beiden Seiten auch fair eingehalten und erst der Anpfiff setzte den Start für wirklich denkwürdige neunzig Minuten: Zunächst überschlugen sich im Eintracht-Block die Ereignisse: Cattiva betrat geschlossen und lautstark den Block, wobei eine recht aggressive und behelmte Polizeieinheit als Geleitschutz fungierte. Die hatten, wie man später hörte, wohl den Verdacht, dass Cattiva als Folge des Busangriffes nun irgendeine Vergeltung planen würde, was aber natürlich völliger Unsinn war. Das merkten die Beamten dann auch irgendwann selbst und um ihre Daseinsberechtigung dann halt anderwertig nachweisen zu können, stellte sich der Polizeitrupp dankenswerter Weise persönlich als Aggressator bereit. Völlig grund- und sinnfrei wurden die unten stehenden Leute provoziert und es kam, wie es dann halt immer so kommt: Großes Geschreie, der Knüppel machte die Runde und um den Dauerregen ein wenig zu würzen wurde auch am Reizgas nicht gespart. Dabei wurden dann ganz nebenher auch noch die Vorzeigehooligans Christel, Maren und Fanprojekt-rdm zeitweise "out of order" gesetzt, Glückwunsch für diese zielgerichtete Aktion! Der ganze Spaß ging dann schließlich soweit, dass sich Eintracht-Sicherheitsbeauftragte (!) Bastian Böhm und das Team Guntherstraße vor die Fans stellten und versuchten, deeskalierend zu wirken - mit Erfolg, zwei Offenbacher Polizisten mussten am Ende sogar einen eigenen Kollegen gegen den Zaun schmeißen, da der seinen Gewaltflash einfach nicht unterdrückten konnte und wollte. Die Strahlung in Gorleben muss bei manchen Jungs und Mädels wohl echt komische Reaktionen ausgelöst haben..

Nachdem sich das Spektakel dann schließlich etwas beruhigt hatte und sich die Polizei unter einem ordentlichen Pfeifkonzert in den Nachbarblock verzog, konnte man sich dann also endlich dem sportlichen Geschehen widmen und bekam da dann gleich die nächsten Haue: Nachdem Kumbela eine Riesenchance in den ersten Minuten vergeben hatte, übernahm Offenbach zunehmend das Zepter und nach einer Flanke von rechts bekam Vrancic den Ball unglücklich an den Arm. Dusselige Nummer, weil völlig sinnlos - der Schiri gab in jedem Fall Elfmeter und den verwandelte da Costa sicher zum 0:1. Petkovic also zum ersten Mal seit immerhin fünf Spielen mit einem Gegentor und Eintracht im Rückstand. Dummer Weise sollte sich die Situation dann auch noch verschlimmern - man war gerade dabei, den Polizeieinsatz mit dem Fanprojekt und Jan Marek aufzuarbeiten, als man im Augenwinkel nur da Costa erneut abziehen sah - 2:0 für Offenbach und das leider auch gar nicht mal unverdient. Zur Pause war damit also erstmal Frust angesagt, der mancherorts immerhin im alkoholhaltigen (!) Bier ertränkt wurde, schließlich ist auch in Offenbach nun der Serivce-Am-Platz-Mensch etabliert.

Die Devise zur zweiten Halbzeit war demnach klar: Alles oder nichts auf dem Platz und auf den Rängen! Selten hab ich einen derart lautstarken Auswärtsauftritt mit der Eintracht erlebt, von dem schon fast englisch anmutenden Gästepöbel auf der Haupttribüne bis zu uns oben im Block zog jeder und alles mit. Die Lieder waren in der Hauptsache alte Gassenhauer und sorgten für die entsprechende Mitmachquote, so dass man von Offenbach trotz Führung wirklich wenig bis gar nichts hören konnte. Es hatte alles irgendwie etwas von einer Trotzreaktion und auch auf dem Feld wurde der Hebel jetzt umgelegt: Nachdem Kumbela zunächst einen Fehler von Wulnikowski nicht nutzen konnte, war es schließlich Bellarabi, der nach einer Flanke den Ball irgendwie über die Linie bugsierte. Spätestens jetzt gab es unter den 1.000 Gästen kein Halten mehr und man sang und pöbelte sich in einen regelrechten Rausch, der katastrophalen Schirileistung des Herrn Robert Hartmanns sei dank. Der pfiff sich wirklich absolut in die Hassader beider Fanlager und nicht nur die TV-Zuschauer bestätigten, dass man nun Zeuge eines echten Kampfspiels wurde. Und wie es sich für einen guten Fernsehabend gehört, bedarf es bei sowas dann natürlich auch eines Happy-Ends: Nachdem Kruppke sich selbst vor einem Freistoß noch hochgepusht hatte, flankte er butterweich in den Strafraum wo Neu-Defensivstratege Theuerkauf völlig ungedeckt zum 2:2 einköpfen konnte. Genial, geil, der Oberhammer! Der Zaun wurde ab jetzt konsequent in Fanhand besetzt (den Pöbelarien des Stadionsprechers zum Trotz) und auch die letzten Dichtmänner stimmten in die Gesänge mit ein oder sorgten mit Pöbelbewegungen in Richtung Gegengerade für ein leichtes Grinsen. Eintracht hatte das Spiels echt im Griff und als Hartmann dann irgendwann abpfiff, konnte sich Offenbach mit dem Remis noch gut bedient zeigen. Wie bereits gesagt: Selten ein derartiges Auswärtsspiel erlebt, wer nicht dabei war, ist selber Schuld! Die Mannschaft war in jedem Fall zu platt zum Feiern und beließ es beim bloßen Abklatschen, so dass Thilo noch eine eigene Humba initiierte. Hüpfend und singend ging es danach wieder durch den Matsch zurück in Richtung Bus, wo sich die Maßnahme, im Vorfeld neue Biere gekauft zu haben, als absolut richtig erwies. Lautstark verlief dann entsprechend auch die Rückfahrt, auch wenn Henning und Jan recht schnell in den Schlafmodus verfielen. Clemens ließ das von seinen obligatorischen "Beee"-Gesangsorgien aber nicht abhalten und auch Rocky versuchte, sich da ein wenig anzupassen. Dem Alkohol sei dank verlief das dann aber recht schwierig (Zitat: "Beee ... wie Pimmel!") und so hatte die erste Reihe wieder großen Spaß und man selbst verfiel erst auf niedersächsischem Boden in ein kurzes Dösen. Gegen zwei Uhr wurde Voets dann wieder erreicht, der Mastbruch eine gute Viertelstunde später - und das in dem Wissen, dass Eintracht Braunschweig im Jahre 2010 das definitiv beste Team der dritten Liga ist. Klingt arrogant, ist aber so! :-)

EIN SPIEL VORBLÄTTERN | ZURÜCK ZUM INHALT | EIN SPIEL ZURÜCKBLÄTTERN
-> Hier könnte (Schleich-)Werbung von Wolters stehen! ;-) <-