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„Bei den Ottern im Käfig“

 

TSV Otterberg 0:4 (0:1) Eintracht Braunschweig
29.09.2010, 17.00 Uhr, Sportplatz an der Wümme (Ottersberg), 852 Zuschauer

Die Woche der Wahrheit zweiter Teil, oder wie es die BZ noch dramatischer ausdrückte: "Das 100.000 Euro-Spiel in Ottersberg" - nach der unnötigen und immernoch tief sitzenden Pleite vom Sonntag in Rostock, sollte heute zunächst erstmal ein Grundstein für die kommende Saison gelegt werden: Die Qualifikation für den DFB-Pokal. Das geht bekannter Maßen am einfachsten über den NFV-Pokal, einfach mal bei drei Dorfvereinen in Serie nicht blamieren und schon steht man im Finale und darf in der kommenden Saison wieder vom Europapokal (oder zumindest der zweiten Runde) träumen. Und siehe da, nachdem Arminia Hannoi und der TSV Havelse souverän aus dem Wettbewerb geballert wurden, fehlte heute nur noch ein Triumpf über den absoluten No-Nameverein der Runde, den TSV Ottersberg. Für den geneigten Zweite-Allesfahrer waren die natürlich ein nicht ganz so unbeschriebenes Blatt, schließlich durfte man den Ground bereits in der Vergangenheit mehrmals besuchen und weiß, dass zumindest ein wenig Geld und entsprechende Ambitionen hinter dem Dorfverein stehen. Zwar krebsen die in diesem Jahr nur im Abstiegskampf der neuen Oberliga Niedersachsen herum, beschäftigten dafür in der letzten Saison noch Spieler wie Ex-Profi Sören Seidel und träumten sogar kurzzeitig vom Regionalliga-Aufstieg - zumindest bis der DFB erklärte, dass man derzeit absolut gar keine Lizenz bekommen würde.

Genug also der Einleitung, Favorit blieb man ja ohnehin und nachdem man am Vormittag noch Reisebüro spielen durfte und fleißig kurzfristige Mitfahrer umverteilte, ging es gegen zwei Uhr zu fünft in Papas Golf in Richtung Autobahn. Neben mir wurden noch Rossi, Simon und Nick eingesammelt, Rocky wurde in Watenbüttel direkt nach getaner Arbeit noch eingeladen. Gesprächsstoff gab es dank der Vorkomnisse in Rostock ja genug und bei freien Straßen und durchaus solidem Wetter ging es zügig weiter in Richtung Achim-Ost und zielsicher an der schon bekannten Sparkasse in Bassen vorbei zum Sportplatz des TSV. Die lokale Freiwillige Feuerwehr kümmerte sich um die Parkplatzbeschaffung und lüftete spätestens damit das Geheimnis um den Spielort: Weil der Hauptplatz der Ottersberger ja leider über kein Flutlicht verfügt, sollte heute bekanntlich schon um 17 Uhr gespielt werden, doch nach zuletzt starken Regenfällen ging das Gerücht um, es gäbe noch einen besseren Nebenplatz. Von dem war aber weit und breit keine Spur, sieht man von zwei nicht mal gekreideten Wiesen mit Torpfosten mal ab. Also doch wieder auf den Hauptplatz, naja sollte mir ja nun auch egal sein, das Kreuz steht schließlich bereits im Informer. Unbekannt war hingegen bisher die Tatsache, dass es einen seperaten Gästebereich geben sollte, doch da Schilder einen solchen auswiesen und man von weitem schon ein recht wildes Bauzaungewirr sah, verzichtete man dankend auf den Käfig und ging (schließlich auch allesamt neutral bekleidet) in den "Heimbereich". Dort fragte eine Dorftussi natürlich auch gleich, ob man denn Braunschweig-Fan sei, das wurde jedoch mit "neutraler Zuschauer" diplomatisch korrekt beantwortet und schon stand man auf der Anlage. Die war nach wie vor natürlich ein reiner Sportplatz, wobei der eigens aufgebaute Gästekäfig genauso neu und unpassend war, wie die diversen sinnlosen Krombacher-Werbeplakate. Letztere waren wohl auf die Liveübertragung im Internet zurückzuführen, welche für 2,99 Euro erworben werden konnte und bei welcher sich die Verantwortlichen tatsächlich 5.000 Zuschauer versprachen - "merkt ihr es noch", würde wohl sonst eine gewisse Person sagen, die aber dummer Weise heute selbst zu den Kunden gehörte.. :-).

Nachdem die Toilette (übrigens mit Teller für die Putzfrau, noch nie in 'nem Stadion gesehen) und das lokale Verpflegungsangebot also kurz angetestet wurden, stand man also rum und wartete, dass sich die Mannschaften warm machen würden. Doch dazu sollte es zunächst gar nicht kommen, denn wenig später wurde man von einem etwas kleinen, aber sehr wichtig dreinblickenden Dorftürsteher mit Walki-Talki aus dem Fischerpricesortiment angesprochen, wer man denn sei. Etwas fahrlässig wurde da genauso dämlich zurück gefragt, wer er denn selber sei, woraufhin Mr. Wichtig meinte, "er sei der Chef von dem ganzen hier" (Respekt!) und wir müssten als Braunschweiger doch aber ganz schnell in den Gästebereich. Als solche hatten wir uns aber nach wie vor nicht geoutet und somit wurde der Typ einfach konsequent ignoriert - was aber weniger an seinem Generve lag, sondern an Rocky, der nämlich in ganz anderen Problemen steckte. Nicht nur der Chef der Dorfsecurity war jetzt auf uns aufmerksam geworden (Warum eigentlich? Weil wir als Gruppe da rumstanden?), es sollte jetzt noch komischer kommen: Der Vier-Sterne-General der lokalen Polizeistelle war mit seinem Gefolge ebenfalls auf den Plan gekreuzt und kassierte gerade fleißig die Personalien unseres Mitfahrers ein. Das erreichte natürlich schon eine neue Dimension und weil man mal hören wollte, was das soll, stellte man sich mal unauffällig daneben. Das bemerkte der Sheriff von Ottersberg natürlich mit seinem geschulten Auge sofort und umgehend wurde man mit einem charmanten: "Ihre Personalien hätte ich auch gerne" angeblafft. Da war man nun wirklich baff, ich hatte wirklich noch nicht ein Sterbenswörtchen zu unserem netten Vertreter der Exekutive gesagt. Also gut, der notierte also auch meine Daten (gute Quote im Moment..) und weil man nun schon etwas wütend wurde, wurde halt mal nachgehakt, was dieser ganze Käfig-Schwachsinn und diese Paronoia eigentlich solle. "Es gibt einen Tipp per Email, dass drei Busse gewaltbereite Braunschweiger via Emden nach Ottersberg kommen werden", hieß die einleuchtende Erklärung - ach so ist das also, ihr habt einen Emailtipp erhalten! Bei so viel dörflicher Inkompetenz blieb einem wirklich nur noch die Flucht in die Ironie: "Und die Mail kam vermutlich von hooligan@web.de?", war die nur logische Antwort. Man hatte spätestens jetzt die Nase gestrichen voll, bleibt doch wo der Pfeffer wächst oder wo die Otter pimpern, wir gingen halt in den Gästebereich. Immerhin kam noch kurz der zweite Vorsitzendes des TSVs vorbei und entschuldigte sich für das Verhalten der Polizei, man selbst halte das ja auch alles für überzogen und würde alleine durch die Bauzäune wohl mit roten Zahlen aus dem Spiel gehen. Na darüber wäre ich ja begeistert, hoffentlich ist der Sheriff mit seinem Gefolge nicht mehr auf der nächsten TSV-Weihnachtsfeier eingeladen oder bekommt beim Schrottwichteln wenigstens als einziger keinen Schnaps.

Genug also geärgert, zusammen mit vielleicht fünfzig anderen Braunschweiger verfolgte man das Spiel halt im sogenanten Gästebereich, während es die Family tatsächlich schaffte, unentdeckt im Heimbereich zu verbleiben - habt ihr aus Meuselwitz denn gar nichts gelernt? :-) Immerhin, die Mannschaft zeigte auch schnell eine sportliche Antwort und ging konsequent zu Werk: Keine drei Minuten waren gespielt, da klingelte es ein erstes Mal im Ottersberger Gehäuse, Kumbela durfte sich wieder mal feiern lassen. Genau auf dieses frühe Tor hatten alle spekuliert, den Gastgebern war der Wind aus den Segeln genommen und nachdem die nach einer Ecke aus bester Position vergaben, hatte man schon erstmal ein gutes Gefühl. Zwar meinten manche Freaks im direkten Umfeld, noch weiter über eigene Spieler meckern zu müssen, aber das verbuchen wir mal unter Unwissenheit :-).

Nach dem Seitenwechsel wurde zunächst die etwas unerwartete Zuschauerzahl von 852 Besuchern verkündet (hätte höchstens halb so viel vermutet), ehe nach fast genau einer Stunde Karim Bellarabi eingewechselt wurde. Der hatte damit auch offenbar lange genug auf der Bank geschmort und nur drei Minuten später gelang unserem neuen Juniorennationalspieler per Sololauf das vorendscheidene 2:0. Der Sack war also endgültig zu, Ottersberg sah das auch so und ließ auch noch das 3:0 durch Boland zu. In der Schlussminute setzte Neuzugang Lemke mit seinem zweiten NFV-Pokaltor (übrigens beide Male auf Vorhersage :-)) den 4:0-Schlusspunkt, ein letztlich auch in der Höhe verdientes Ergebnis. Der DFB-Pokal kann also kommen, im bedeutungslosen Finale des Mindersachsenpokals warten im nächsten Jahr noch der Statistik wegen die Kickers Emden - da waren wir jetzt auch schon etwas länger nicht mehr. Alles in allem zufrieden ging es also zurück zum Auto und nachdem auch Bellarabi im Rückspiegel gesehen und damit nicht überfahren wurde, konnte nach kurzem Wortgefecht mit der Straßensperr-Einheit der Feuerwehr die Autobahn erreicht werden. Bleibt nur noch eine Gedenkminute an meine gute alte Kamera, die nach knapp vier Jahren Dienstzeit heute ihre Tätigkeit wohl für immer beendete. Naja, muss für den Europapokal halt ein Nachfolger her :-)

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