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„Easyjet auf's Maul“

 

FC Nordsjælland 0:3 (0:1) FC Kopenhagen
05.04.2010, 16.00 Uhr, Farum Park (Farum), 7.022 Zuschauer

IFK Göteborg 1:1 (0:1) Djurgårdens IF
06.04.2010, 19.00 Uhr, Nya Gamla Ullevi (Göteborg), 10.384 Zuschauer

Das Osterwochenende fing mit den Siegen der ersten beiden Herrenmannschaften des BTSVs ja schon grandios an, eine doch etwas länger dauernde 18.-Geburtstags-Feier am Samstagabend rundete das Ganze dann noch insofern ab, als dass man am Ostersonntag das Eiersuchen erstmal mit schönen Kopfschmerzen auf den Nachmittag verschob und somit auch ganz, ganz spekulative Planungen um einen Besuch des Duell der Gescheiterten zwischen Goslar und Magdeburg zunichte machte. War aber nicht weiter schlimm, schließlich sollte ja noch eine Tour in Europas Norden anstehen.

Dänemark und das Lieblingsland Schweden waren endlich mal wieder anvisiert und so traf man sich am Sonntagabend gegen 21 Uhr mit Ex-Mitschüler Christian am Braunschweiger Hauptbahnhof (easyjet kommt später ins Spiel, keine Panik!). Der Weg zum ersten Etappenziel Kopenhagen sollte mit dem Nachtzug bestritten werden, zum Einen spart das Zeit und Übernachtungskosten und zum Anderen hatte man darauf sowieso mal wieder Lust. Folglich ging es zunächst mit der Regionalbahn nach Bielefeld, bahn.de leitet den geneigten Braunschweiger Reiselustigen nämlich nicht direkt gen Norden, sondern zunächst in die ostwestfälische Pampa. Sollte uns nur Recht sein, da wir beide ja leider den Wolters-Conti nicht mehr erleben durften, hatten wir uns für die Tour einfach mit einer handelsüblichen 24er Palette Dosen der Lieblingsbrauerei munitoniert - man gönnt sich ja sonst nix und um das Niveau zu wahren wurden die Dosen auch ganz gerecht in zwei Markentüten umgelagert. Doch auch so schmeckten die Biere ganz gut und in Form einer nicht unattraktiven Medizinstudentin wurde man auch gut unterhalten. Die telefonierte nämlich mit einer Freundin über ihre ersten Praxiserfahrungen in der Chirugie und gab dabei Dinge von sich, die man als armer kleiner Patient lieber nicht erfahren will ("Ja und dann meinte der Oberarzt halt, dass ich davon ruhig ein bisschen mehr wegnehmen kann, das braucht der eh nicht mehr.").. Passender Weise stieg die Gute dann ausgerechnet in H-Town aus, viel Spaß beim Weitexperimentieren sage ich da nur. :-)

Für uns hieß es dann pünktlich in Bielefeld aussteigen und dort gut eine Stunde lang die Zeit totschlagen, was mit leichter Lektüre und ein paar Burgern auch gelang. Gut zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges betrat man schließlich das ausgewiesene Gleis um dort erstmal völlig aus den Latschen zu fallen: "Warszawa" war als Ziel ausgegeben, nix Kopenhagen. Kurze Irritation und Check am Fahrplan, der dann auch die unerwartete Lösung brachte. Nicht irgendein Nachtzug sollte uns nach Kopenhagen bringen, unsere Wagen waren lediglich Kurswagen an dem ja nun doch bekannten "Jan Kierupa"-Nachtzug, welcher täglich in Amsterdam startet und Kurswagen nach Prag, Warschau, Minsk und sogar Moskau besitzt. Dass da nun auch Kopenhagen dabei ist, war bisher nicht bekannt aber durchaus willkommen, wollte man in dem Zug ja sowieso schon länger mal sitzen. Tatsächlich sichtete man dann auch Original-Russische Eisenbahnwagen im Weltbahnhof Bielefeld, schon irgendwie cool. Nicht ganz so cool wurde dann die Findung der gebuchten "Ruhesessel", welche sich als stinknormales InterCity-Abteil ohne Beinfreiheit herausstellten. Auf unseren Plätzen lümmelten sich irgendwelche muslimischen Mitbürger, die zum Einen weder Deutsch konnten und zum Anderen falsche Tickets hatten. Tschüss und auf Wiedersehen, nach kurzem Disput waren die Plätze erobert und nach ein paar "Tkschhh"-Dosenlauten war dann Nachtruhe angesagt. Die wurde nur durch einige Ruckbewegungen des Wagens gestört, in Hannoi (da waren wir doch vorhin schonmal?) wurde der Zug dann zerteilt und wir mit dem Nachtzug aus Basel gen Norden geschickt. Als die Äuglein geöffnet wurden war es draußen dann auch hell und pünktlich zum Frühstück wurde auch die Brücke zum großen Belt überquert. Schon recht gigantisch, aber mit Brückentourismus sollte man es auf der Tour ja sowieso haben.

"København H" wurde dann tatsächlich ein paar Minuten vor der planmäßigen Ankunft erreicht und nach kurzem Visit beim Reisebüro hatte man auch Tagestickets für den lokalen Nahverkehr aller Zonen in der Hand, was gut 17 Euro zu Buche schlug. Der Weg zur S-Bahn ("S-tog" wie der Däne sagt) wurde auch gefunden, sollte doch in nur wenigen Minuten schon das erste Spiel auf dem Programm stehen. Das Drittliga-"Derby" (ähm..) Kjøbenhavns Boldklub vs B 1908 Kopenhagen im laut Europlan gar nicht mal so schlechten Frederiksberg IP hatte man sich ausgeguckt und quasi mit Anpfiff um 10.30 Uhr stand man auch vor der Eingangstür des Stadions. Doch entgegen der Planung war die Tür leider zu und auch sonst fast keine Menschenseele in Sicht. Ein handgeschriebenes Plakat am Eingang gab schließlich Aufschluss, um den Rasen zu schonen würde KB Kopenhagen seine Heimspiele derzeit auf dem heimischen Trainingsgelände austragen. Na tolle Sache, immerhin sollte das nicht so weit entfernt sein und so ging es zu Fuß den Peter Bangs Vej ein paar Hausnummern weiter, ehe in der Tat eine große Trainingshalle mit Vereinslogo die Trainingsplätze ankündigte. Ein hilfsbereiter Einheimischer klärte noch über den Heimverein auf, welcher wohl der älteste Fußballverein Dänemarks sein soll. Kann ich so nicht prüfen, Fakt ist, dass sich KB schön vom Großverein FC Kopenhagen hat kaufen lassen, so dass der Altverein nunmehr als Farmteam fungiert und sogar in FCK-Trikots aufläuft. In solchen kickten sie auch heute, als das Spielfeld gegen Spielminute zehn und beim Stand von 0:1 erreicht wurde. Spiefeld ist dann übrigens auch alles, was es dazu zu sagen gibt - halt ein Trainingsplatz mit Bauband und Bolzzäunen drumherum, 178 Zuschauer sollen laut Medien dagewesen sein. Wie die das ob fehlender Kasse gezählt haben weiß ich nicht, wir waren zumindest recht bedient und entschieden zum Pausenpfiff, den Ort des Geschens zu verlassen. Der Zeitplan war schließlich eh recht eng und den Kick brauchte ja nun wirklich kein Mensch. Mit unserem Abzug lief dann übrigens auch die U17 von Djurgardens Stockholm auf dem zweiten Trainingsplatz auf, die da laut Betreuer ein Trainingscamp abhalten - wobei sich der klimatische Unterschied für mich nicht wirklich erschließt.. Ansonsten noch die Info für alle Statistikfans: Das Spiel endete schlussendlich doch 2:1 für den Gastgeber, der das Geschehen durch Tore in der Schlussminute drehen konnte.

Wir fuhren mit der S-Bahn also wieder in die City, wo die nächste Anlaufstelle das gebuchte "Danhostel" sein sollte. Zu Fuß wurde das wirklich super zu erreichende Quartier dann nach passieren von Tivoli und Polizeidirektion (aus der Olsenbande und deren Kommissar Jensen gut bekannt) erreicht, war im Grunde aber eh nicht zu verfehlen: Da das Danhostel laut Homepage das "größte Hostel Europas" ist, ragte ein 16-stöckiges Hochhaus aus dem Hafenpanorama. Immerhin, aus dem gebuchten Achterzimmer wurde ungewollt ein Sechserraum, der noch dazu super geräumig und sauber war und einen Blick auf die im Hafen liegende "Stubnitz" bot. Bei der handelt es sich um ein aus Rostock stammendes Schiff, welches ursprünglich mal zurück wollte und das aus finanziellen Gründen aber nicht konnte. Mittlerweile finden dort aber auch Partys statt und man kann wohl sogar übernachten, bizarre Randnotiz in jedem Fall.

Nach kurzem Frischmachen (nach der Nacht im Zug durchaus willkommen) stand also Kulturprogrammpunkt eins auf dem Programm, "die kleine Meerjungfrau" aus dem Märchen von Hans Christian Andersen. Man hatte ja im Vorfeld schon Gerüchte über eine Verschiffung des Wahrzeichens zur Expo nach Shanghai gehört und als man den Hafenkai erreichte, war "Den lille Havfrue" tatsächlich außer Haus. Eine Tafel informierte über die Leihgabe gen China - im Grunde ein Unding. Bei aller Liebe zur Expo, aber sein eigenes Wahrzeichen zu verleihen geht ja mal gar nicht. Hoffentlich wird das Touristeneinbußen im Sommer bringen, die merken es wirklich nicht mehr. Leicht verärgert zogen wir dann also von dannen, aber spätestens mit Wiederreichen des Hauptbahnhofes war gute Laune angesagt, stand doch das eigentliche Tagesziel an.

Mit der S-Bahn ging es gut 45 Minuten lang raus aus die Stadt in den Vorort Farum, wo dann auch Endstation war. Farum ist ein gut 18.700 Einwohner großer Ort vor den Toren Kopenhagens, der mit dem FC Nordsjælland einen Fusionsverein verschiedener Vorortdörfer behergert. Nordsjælland spielt erste Liga und hatte am heutigen Tage mit Rekordmeister FC Kopenhagen (diesmal die Erste) auch einen attraktiven Gegner zu Gast - "match of the season", wie allgemein versichert wurde. Nach gut 15 Minuten Fußmarsch an den Fersen des FCK-Ultrapöbels wurde der Farum Park dann auch erreicht, ein klassischer dänischer Kastenneubau. Quasi Allseater, außen grau, innen bunt. Für die Stimmung und die Liga sicher ok, für Braunschweig würde ich mir das nicht wünschen. Immerhin waren die Karten hinterlegt und so ging es flugs auf die Tribüne. Bizarrer Weise war freie Platzwahl angesagt und so setzte man sich halt möglichst zentral, was zu zweit allerdings gar nicht so einfach war, da natürlich jeder zwischen sich und seinen Nachbarn nur einen Platz freigelassen hatte. Dafür konnten die Sitze mit wirklich guter Beinfreiheit und Getränkebehältern punkten, Biere zum Preis von fünf Euro wurden von der Heimseite auch tatsächlich gut getrunken. Haben wohl Geld, die Vorort-Kopenhagener, die sonst dem Klischee des Dorfvereins durchaus gerecht wurden. Ein Mini-Fanblock in einer Mini-Stehtribüne bot zum Intro Folienbahnen und Fahnen in den Vereinsfarben rot-gelb, waren auch bemüht aber nie wirklich zu vernehmen. Die Gästefans auf der anderen Hintertorgeraden waren zwar zahlenmäßig hinter meinen Erwartungen (gut 1.500 unter den insgesamt 7.022 Zuschauern mögen es gewesen sein), supporteten aber wirklich durchgängig und gut. Zum Intro gab es auch dort Fahnen, Pyro sollte erst nach dem Führungstor in Minute 26 folgen. Zdenek Pospech hatte den derzeitigen Tabellenführer hochverdient in Führung gebracht und die Jungs um die "Urban Crew" zelebrierten es mit ein paar Wroclaw-Lichtern und normalen Fakeln, so soll es sein und getötet wurde dabei auch niemand, lieber DFB.

Nach dem Seitenwechsel das gleiche Bild, die im unteren Tabellendrittel angesiedelten Gastgeber bekamen nicht wirklich was auf den Schirm, der FCK spielte das alles ganz souverän runter und scheiterte nur an der eigenen Verspieltheit vor dem Tor. Das auch von deutschen Vereinen umworbene Talent Oscar Wendt nahm sich dann schließlich irgendwann ein Herz und ballerte einen Schuss aus Reihe zwei gnadenlos in den Winkel, 0:2. César Santin erhöhte nach 71 Minuten dann sogar auf 3:0 um direkt im Anschluss durch einen Spieler namens "Ailton Almeida" ersetzt zu werden - das wär einer für Werder. :-) Die Fans sangen noch die Vereinshymne bis zum Abpfiff und mit drei Punkten im Sack ging es für die und uns wieder per S-Bahn zurück in die Stadt. Die Fahrt wurde dann wenigstens konsequent verschlafen, leider hatte keiner einen Laptop dabei um das in S-Bahnen kostenlose WiFi nutzen zu können. Guter Service allerdings!

Wir stiegen am Bahnhof dann auch nur kurz um, ein kleiner kultureller Insider stand schließlich noch auf dem Programm. Nachdem der Stadtteil Albertslund erreicht wurde ging es zum dänischen Staatsgefängis, welches man aus den geliebten Olsenbandenfilmen ja bestens kennt. Im Gegensatz zu Kindheitstagen, als im Familienurlaub bis zur Verzweifelung nach dem Ding geforscht wurde (fragt mal bei Gelegenheit in nem Touristenbürp nach dem lokalen Gefängnis.. :-)), fand man es diesmal dank Google Maps recht schnell und wurde aber dennoch ein wenig enttäuscht. Der legendäre Egon-Olsen-Weg, der heute sogar genauso heißt, war durch einen Zaun von der Außenwelt abgesperrt, so dass leider kein Foto á la Egon möglich war. Dennoch ein nettes Motiv und fortan hatte man wenigstens die "Tab tab tab ta tab"-Olsenbande Musik als Ohrwurm im Kopf.

Auf dem Rückweg setzte die Dunkelheit ein und nach erneutem Pitstop im Hostel sollte es dann zum letzten Tageshighlight gehen, dem Stadtteil Christiania. Dabei handelt es sich um ein Wohnviertel Kopenhagens, welches von der alternativen Szene (Hausbesetzer, Künstler u.a.) in den siebziger Jahren ins Leben gerufen wurde. Seitdem bezeichnet sich das gut 900 Einwohner starke Wohngebiet als "Freistadt" mit eigener Flagge und Regierungsplenum, was von der dänischen Regierung tatsächlich so tolleriert wird. Ziemlich verrückte aber sehr geniale Geschichte, insbesondere da Polizei und sonstige Staatsorgane vor Ort Fehlanzeige sind, man lebt halt nach den freien Gesetzen von Freiheit, Gewaltlosigkeit und auch der Legalisierung von (weichen) Drogen. Letzteres brachte schließlich sogar die Einrichtung der sogenannten "Pusher Street" mit sich - die wohl einzige Straße Europas, in der wie auf dem Flohmarkt ganz offen Marihuana und Haschisch gekauft werden konnte. "Konnte", weil die letzte Regierung dann doch irgendwann einschritt und zumindest den offenen Handel untersagte.

Man war also durchaus gespannt was einen erwarten würde und kaum hatte man einen unbeleuchteten Park durchschritten, war man auch quasi in einer anderen Welt: Befand man sich gerade noch in einer normalen skandinavischen Großstadt, war man nun in einer Parallelwelt mit brennenden Mülltonnen auf der Straße (wie in Amerika), bunt besprayten Häusern und auch sonst einer irgendwie bizarren Atmosphäre. Auch der erwartetete Süßgeruch ließ nicht lange auf sich warten - stellte man bei genauerem Hinsehen doch fest, dass wirklich jeder Einheimische (kein Witz) mit einem Joint durch die Gegend lief. Touristen erkannte man daher recht einfach und da wir zwar solche waren, aber nicht als solche abgestempelt werden wollten, passte man sich den lokalen Gepflogenheiten eben an, ehe es irgendwann in der Nacht gen Hostel zurück ging.. :-)

Am nächsten Morgen ging hieß es dann Aufstehen wie in Schulzeiten, Etappe zwei der Mini-Skandinavientour war ausgerufen. Mit SwebusExpress sollte es gen Göteborg gehen und da man noch nicht ganz so sicher war, wo denn die Haltestelle von eben dieser Gesellschaft sei, ging man zeitlich lieber auf Nummer sicher. Tatsächlich entpuppte sich der Haltepunkt nur als einfaches Schild, wie es auch in irgendeiner Dorfhaltestelle stehen könnte und hätte der Bus nicht bereits gewartet, wäre man wohl noch mehrfach vorbeigelaufen. So war aber alles in bester Ordnung und da man vorher bei Seven-Eleven ganz gut und billig gefrühstückt hatte, ging man doch recht gestärkt auf die nächste Etappe. Die sollte mit der Öresundbrücke nämlich auch frühzeitig ein Highlight beinhalten, nachdem der Flughafen auf der Insel Kastrup bewältig wurde, kämpfte sich der Bus über die 7,85 Kilometer lange Brücke - die längste ihrer Bauklasse. Das Wetter spielte aber mit und so konnte man die diversen Windparks rund um die Brücke erkennen, schon krass wenn man so über das Meer fährt.

Am schwedischen Ufer angekommen kam es dann tatsächlich zu einer Zollkontrolle für alle Reisenden, doch da "nothing to declare" war und das Ziel der Reise mit "Fußball" auch legal (wenn auch für die Zolltante unlogisch) waren, ging es problemlos weiter. Der Bus war ohnehin recht leer, will in jedem Fall nicht ausdenken, wie lange sowas bei vollem Bus, am Besten noch mit einer Hand voll Nicht-EUlern gefüllt, los ist. So hieß es weitere fünf Stunden Fahrzeit gen Norden und immer entlang der Ostseeküste zu absolvieren, ehe der Bus bei leichtem Nieselregen und Restschnee das Nils Ericsson Terminal in Göteborg erreichte. Von dort aus machte man sich flugs auf die Suche nach der Straßenbahn, hatte man noch knapp vier Stunden für Kultur zur Verfügung. Glücklicher Weise gestaltete sich die Suche nach der richtigen Anbindung als mehr als einfach, "Jödeboi" wie man Göteborg auf schwedisch ausspricht, besitzt das dichteste Straßenbahnnetz Nordeuropas. Gefühlt würde ich sogar ganz Europa mit einbeziehen, wirklich im Minutentakt fahren Bahnen in alle Himmelsrichtungen. Dazu verkehren regionale und überregionale Busse, es gibt eine S-Bahn, einen Hafen, einen Flughafen und einen Bahnhof - besser geht's nicht. Alles ist super beschildert, die Braunschweiger Verkehrsplaner sollten vielleicht mal für eine Woche dorthin ins Trainingscamp geschickt werden. Selbst am späten Abend konnte man noch regelmäßige Verbindungen beobachten - bei uns ist man ja froh, des Nachts noch aus dem Joker in die City zu kommen.

Mit der Linie zwei ging es also dann zunächst zur Haltestelle Linnéplasten, welche man als Startpunkt für die Exkursion in den Slottskogen erkoren hatte. Der Slottskogen ist eigentlich ein normaler Park etwas außerhalb der City, der vielleicht mit dem Nussberggelände vergleichbar ist (auch wenn der Slottskogen vermutlich dreimal so groß und um einiges bergiger ist). Highlight des Parks ist in jedem Fall ein kostenlos begehbar Naturzoo, mitten im Parkgelände verwaltet die Kommune mehrere Gehege mit Tieren aller Art, vornehmlich mit schwedischem Hintergrund. Den Geheimtipp (danke, Baller-Uwe:-)) wollte man sich natürlich nicht entgehen lassen und so ging es dann auf Wanderschaft und nach einigen Steigungen, die an die eher an den Harz erinnerten, stand man dann auch endlich vor den ersten Gehegen. Dummer Weise hatten sich viele Tiere von dem Regenwetter abschrecken lassen und verkrochen sich in ihren zumeist nicht einsehbaren Herbergen, lediglich ein Gotlandponny war fast aufdringlich und konnte erst beruhigt werden, nachdem Christian ganz mutig eine Streicheleinheit wagte (und das ohne einen Finger zu verlieren :-)). Passender Weise im letzten besuchten Gehege sollte dann das Highlight des Parks warten - die Elche. Doch die waren offensichtlich auch nicht so wetterfest wie ihre Artgenossen in freier Wildbahn (ich meine nicht die Röhren-Fraktion:-)) und so war man schon fast etwas enttäuscht, ehe schließlich doch ein "Elk" gesichtet werden konnte. Dem (oder der?) fehlte es leider an einem Geweih und wäre daher beinahe übersehen, während das Tier leicht dösend an einem Abhang saß. War uns aber egal, gesehen ist gesehen und die Fotos wurden am Ende auch ganz nett, so dass der Besuch beim größten Tier Europas mit den letzten zwei Dosen Wolters begossen wurde.

Im Anschluss ging es dann an ebenfalls schlafenden Rehen (geniales Motiv!!) vorbei zurück gen Straßenbahnhaltestelle und dann erwartungsgemäß recht zügig in die City. Bewusst wurde kurz vor dem Bahnhof ausgestiegen und ein Spaziergang durch die sehenswerte Altstadt gemacht. Es regnete auch nicht mehr und so konnten das Rathaus auf dem Gustav Adolfs Torg (Stadtgründer), das Kronhuset und der Hafen Lilla Bommen und seine Werften begutachtet werden. Alles wirklich hübsch anzusehen und wo wir gerade bei hübsch anzusehen sind: Die Quote attraktiver Mädels übertraf in Göteborg alles bisher in Skandinavien. Man konnte da ja quasi gar nicht weggucken, so stell ich mir das Paradies vor...

Nach kurzer Visite in deren Arkaden ging es dann weiter zum Stadion, welches wirklich direkt neben dem Hauptbahnhof liegt. Wiegesagt, alles mehr als top hier zu erreichen, noch dazu da das größere Göteborger Stadion, das Nya Ullevi, auchnoch direkt anliegt. Womit wir bei der Materie der Stadien angekommen sind, ein Thema für sich: Ursprünglich spielten zwei der drei aktuellen Göteborger Erstligisten im "Gamla Ullevi" (zu deutsch altes Ullevi), ehe dieses aus Altersgründen abgerissen wurde. Da man für die Leichtathletik-WM mit dem Nya Ullevi (logischer Weise zu deutsch "Neues Ullevi") ja einen adäquaten Ersatz bereits gebaut hatte, zogen die Vereine halt um. Aber auch das reichte nicht, das alte Fußballstadion wurde schließlich für die U21-EM im letzten Sommer neu errichtet und trägt den zwar konsequenten, aber völlig kuriosen Namen "Nya Gamla Ullevi" ("Neues altes Ullevi"). Und weil ein Fußballstadion ja viel geeigneter als die überdimensionierte Leichtathletikschüssel ist, zogen alle Vereine halt dort ein und ließen das Nya Ullevi alleine zurück. Verstanden? Falls nicht, auch nicht so wild, das Spiel fand halt im Fußballstadion statt, welches der Volksmund eh nur beim ursprünglichen Namen nennt.

Nachdem die Ticketfrage auch hier kein Problem war, wurden die Plätze auf der Gegengerade gut 30 Minuten vor Anpfiff eingenommen, schließlich hatte man sich nach Baller-Uwes Erzählungen von dem Spiel zwischen Gastgeber IFK Göteborg und den Stockholmern von Djurgardens IF schon einiges erwartet. Djurgardens kennt man ja bestens von den Stockholmer Derbys, der IFK hat als mehrfacher Meister auch keine ganz verkehrte Fanszene. Man war also gespannt, wurde aber zunächst von den Gästen enttäuscht. Die sind zwar wie im letzten Jahr völlig verkorkst in die Saison gestartet, doch die letztliche Anzahl von vielleicht 200 DIF-Supportern war quantitativ, wie später auch qualitativ schwach. Zum Intro wurden drei Fahnen ("Passion", "Tradition", "Stolz") und eine Vereinsfahne präsentiert, danach war fast durchweg Ruhe. Auch die zaghaften Bemühungen der doch sehr jungen Ultras fruchteten da wenig, schade. Um einiges besser präsentierte sich da dann schon die Heimseite, bereits vor Anpfiff war der Oberrang der Fankurve bereits bestens gefüllt und es wurde gut gesungen. Insbesondere eine Coverversion von Dshingis-Khan ("I-F-K Göteborg") kam wirklich cool rüber. Mit Anpfiff füllte sich dann in einem Eckblock zum Gästeblock hin dann auch der von Uwe bereits versprochene "Block 10-Pöbel" von Göteborg und damit hat der Gute sicher noch untertrieben. Gut und gerne 200 Leute des eher älteren Semesters standen da konsequent und bepöbelten die DIF-Leute, sangen eher klassische Gesänge im England-Style oder lieferten sich Wechselgesänge mit der Ultra-Seite. Lustig hierbei die Buuh-Rufe, als die Ultras meiner Meinung nach zwar brachial laut, den Älteren aber doch zu leise antworten. Schon sehr gut, Gefühle wie zu Hause :-).

Auf dem Platz begann Djurgardens überraschend offensiv und kam völlig überraschend nach 16 Minuten durch Hellquist in Führung. Der Abgang von Jan Tauer scheint bei der Stockholmern wohl doch verdaut zu sein und Göteborg war erstmal geschockt. Erst ein ganz schlimmer Fehler des afrikanischen Keepers von DIF brachte dann in Halbzeit zwei den Ausgleich, Jakob Johansson konnte sich vor offiziell 10.384 Zuschauern feiern lassen. Man selbst hielt sich zwar neutral und blieb bei seinem Probebier, für welches man beim Kauf auch gleich komische Kommentare der Einheimischen erhielt. Versteh ich gar nicht, dabei hatte ich nicht mal das 0,7 Liter-Pils für 6,50 Euro gekauft und auch von dem im Stadion zu erwerbenen Kartoffelbrei (!) keinen Gebrauch gemacht :-).

Nach Abpfiff wurde noch etwas um das Stadion geguckt, erwartungsgemäß passierte aber nichts mehr, einfach zu wenig Gäste anwesend. Für uns hieß es daher erstmal bei einem Dönermann einen für Schweden obligatorischen "Kebab Tallerik" der Marke superlecker zu essen und dann am Terminal die restliche Zeit zu überbrücken. Leicht dösend gelang dies recht gut und pünktlich um 23.20 Uhr wurde erneut ein Swebus-Reisegefährt bestiegen. Die Fahrt sollte aber zunächst nur kurz gehen, wie schon in der Nachtzugfahrt wurde man nämlich ungewollt erstmal in die völlig falsche Richtung geschickt. Statt gen Süden zu fahren, tuckerte man bei nebligen Straßen gen Osten um nach gut drei Stunden in Jönköping umzusteigen. Schlafen lohnte sich also nicht wirklich, hätte vermutlich aber eh nicht geklappt, da ein Päärchen eine Reihe vor uns meinte, es nicht nur bei wilder Knutscherei belassen zu können. Also bitte, solche Umtriebe hätte ich in Schweden wahrlich nicht erwartet und um ehrlich zu sein habe ich Öffentlichkeitsvögeln auch noch nie so gesehen. Keine Ahnung ob da ein billiger Porno gedreht wurde, zumindest war der Kopf des Typen irgendwann nicht mehr zu sehen.. unglaublich sowas :-)

In Jönköping angekommen stellte man zunächst recht erfreut fest, dass die 84.000-Einwohnerstadt gar nicht mal so verlassen war, wie man befürchtet hatte. Zwar gestaltete sich die Suche nach einem 24-Stunden-Laden / Tankstelle als unmöglich, dafür konnte man bei soliden Außentemperaturen einen guten Ablenkungspaziergang durch die Stadt unternehmen. Auch der nächtliche Vättern-See, der immerhin stolze 1.912 km² groß ist und am Abend schon recht mystisch wirkte. Für uns war gegen halb vier dann allerdings wieder Abschied nehmen angesagt, da Jönköping aber einen Zweitligisten hat, wird es sicherlich mal ein Wiedersehen geben. Ein Wiedersehen gab es dann in den frühen Morgenstunden auch mit der Öresundbrücke, welche erneut überquert wurde, ehe es diesmal am Flughafen Kastrup aussteigen hieß. Und hiermit beginnt dann der Part, der die Überschrift des Berichtes zur Wurzel hat:

Man hatte eigentlich alles bestens geplant: Mit easyjet sollte es gegen halb zehn nach Berlin-Schönefeld gehen. Dort hätte man gut 1:30 Stunden Puffer, ehe ein frühzeitig im Spartarif gebuchter InterCity uns nach Braunschweig bringen sollte. Hier wären erneut gut 45 Minuten Pause gewesen, ehe man um 15:20 Uhr mit drei dazu stoßenden Mitfahrern gen Bremen zum Eintrachtspiel im Regionalexpress gefahren wäre. Eigentlich alles wasserdicht durchgeplant, ja wäre da nicht meine neue Hassfluglinie Nummer eins, die Müllabfuhr von easyjet gewesen. Schon der erste Blick auf das Abfluggate verhieß nichts gutes, statt um 09:20 Uhr, sollte es um 10:40 Uhr losgehen. Das wäre bei dem Puffer in Berlin unter Umständen noch zu verteten gewesen, doch während man da so wartete, wurde die Abflugzeit nochmal auf 11:20 Uhr korrigiert. Na prima, der Tag war quasi jetzt schon gelaufen... Immerhin gewährte eine nette Frau die Chance, mit ihrem Laptop mögliche neue Zugrouten zu planen, doch auch die verhießen nichts gutes - die freundliche Unbekannte sei trotzdem hiermit herzlich gegrüßt.

Irgendwann bestieg man dann die dämliche Maschine und der fröhliche Flugbegleiter Matthias (der sich in seiner englischen Ansage nur als "Mätt" bezeichnete) verkündete, man sei nur zu spät, weil ein Crewmitglied am Morgen gefehlt hätte. Sagmal spinnen die? Nur weil irgendein Depp da morgens verpennt startet ein Flieger gut zwei Stunden später? Das geht gar nicht und ist an Frechheit nicht zu überbieten und passender Weise wurde der Vorgang seitens der Crew auch fast komplett weiter ignoriert. Freundliches Tralala finde ich ja sonst ganz ok, aber hier war definitiv gerade die Hutschnur geplatzt. In Berlin wurde dann wie erwartet viel zu spät gelandet und nachdem man passender Weise noch eine direkte Regionalbahn zum Hauptbahnhof vor der Nase verpasst hatte, ging es schier endlos lange mit der S-Bahn via Ostkreuz zum Ostbahnhof. Dort dann der nächste Tiefschlag, es galt ja schließlich möglichst schnell nach Braunschweig zu kommen: Regionalbahnen fielen aufgrund zu langer Fahrzeit aus, InterCitys aufgrund eines zwei Stundentaktes (man hatte seinen gerade ja verpasst) auch. Also buchten wir am Automaten für je 54 Euro einen ICE, bitter aber halt nicht zu ändern, wollte man noch Eintracht sehen. Da aber auch der ICE die Zugverbindung für die Regionalbahntour nach Bremen mehr ermöglichte, wurde flugs mit den anderen Mitfahrern eine Autotour gechartert, wenigstens etwas - dachte man. In Braunschweig angekommen wurde im Mastbruch schnell gegessen und kurz nach Vier die Autobahn angesteuert. Von der Vollsperrung und dem 18 Kilometerstau auf der A2 hatte man ja gehört, aber sowas hört man ja nicht das erste Mal. Also ab auf die A39 und dann über die Landstraße nach Peine war angedacht, ggf. sonst via Hildesheim nur auf der Autobahn. Doch bereits nach wenigen hundert Metern A39 ging gar nichts mehr, Stillstand auf drei Spuren plus Standstreifen. Nach sagenhaften 45 Minuten für die Strecke BS-Süd zur Ausfahrt an der Salzdahlumer Straße wurde dort natürlich abgefahren und im Schneckentempo ging es gen City. Auch hier ging nichts, das habe ich wirklich noch nie erlebt. Der Ring wurde zwar gemieden und die Güldenstraße befahren, doch auch hier vergeudete man nochmal locker 30-40 Minuten, die Stadt versank wirklich im Chaos, selbst Straßenbahnen konnten nicht mehr fahren - der gesamte Verkehr der A2 quetschte sich durch Braunschweig. Wir kämpften uns schließlich noch weiter, um irgendwann festzustellen, dass die Route via Peine ein Himmelfahrtskommando ist. Also wurde gen Norden umgeschwenkt, über die Landstraßen und Celle sollte es gehen, wobei auch das in Anbetracht der Zeit bereits jetzt eher Wunschdenken war. Per SMS erfuhr man ähnliches von anderen Besatzungen und als wir schließlich im Umkreis von Meine in den nächsten Beinahe-Stillstand gerieten (ein Trottel fabrizierte einen Auffahrunfall und bei der einspurigen Straße kann natürlich keiner überholen), gab ich das Zeichen zur Umkehr. Man war das bitter und man war ich wütend. Der dämliche Stau wegen dem Vollidioten in seinem brennenden Sattelzug mag ja noch als höhere Gewalt angesehen werden - doch hätte der Easyjetblödmann am morgen nicht verpennt, wäre man ja gar nicht in die Autosituation gekommen, sondern völlig entspannt mit dem Zug nach Bremen gefahren. So verpasste man einen geilen 3:0-Auswärtserfolg, welcher dann am Liveticker/per SMS-Ticker erlebt wurde. Doch irgendwie war da keine Feierlaune mehr, "ich habe fertig" oder auch: Easyjet ihr .....!

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