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„Kindergartenfahrt nach Durban“

 

Deutschland 4:0 (2:0) Australien
13.06.2010, 20.30 Uhr, Moses-Mabhida-Stadion (Durban), 62.660 Zuschauer

Am Sonntag hieß es dann deutlich früher als gewohnt aufstehen, genauer gesagt zur Schulzeit-Zeit von sechs Uhr morgens. Durban stand auf dem Tagesprogramm und damit auch der erste Auftritt unserer großen Nationalmannschaft gegen Australien. Im Vorfeld hatte man bereits Bustransfer des Fanclub hierzu gebucht, mit dem Bus sollten die gut 800 Kilometer in Richtung Indischer Ozean in Angriff genommen werden. Sicher kein Vergnügen, aber ein paar Landschaftseindrücke sollen ja schon gemacht werden und der Preis mit etwas über achtzig Euro war auch ok. Also wurde man morgens von irgendeinem Fanclubtrottel dankenswerter Weise mit nervigem Vuvuzelagetröte geweckt, um mehr oder minder gut gelaunt bei Sonnenaufgang am vereinbarten Treffpunkt zu stehen. Nein, ich bin keinesfalls ein Morgenmuffel, aber den Zeitplan (Treffen eine Stunde vor Abfahrt) fand ich bei einem Bustransfer (Einstiegsdauer zehn Sekunden??!) ja dann doch etwas übertrieben. Aber gut, man kümmert sich halt bestens um seine Lämminge, auch wenn die aufgrund des ausgegebenen Alkoholverbots im Bus tatsächlich eine leichte Spur von Rebellion in sich birgten. Das wurde auch nicht besser, als man am Busbahnhof nochmal eine gute Fußballhalbzeit auf das Busgefährt warten durfte - mittlerweile war es hell und da hätte man ja auch direkt nochmal frühstücken gehen können. Betonung liegt aber auf können, selbst wenn es zeitlich drin gewesen wäre, gestattet wäre es dem geneigten deutschen Konsumfan aber sicher nicht. Jeder Bus hatte sein persönliches Aufpassepäärchen zugeteilt bekommen und die spielten dann gleichmalwieder Kindergartenerzieher: Drei niegelnagelneue FIFA-Busse waren gebucht, in Sachen Komfort sehr schön, inhaltlich aber hochkompliziert. Es ist ja nicht so, dass man aus diversen Busfahrten mit der Eintracht gelernt hätte und sich einfach mal dahinsetzt, wo man will - um Himmelswillen! Alphabetisch wurden alle 140 (?) Leutchen vorgelesen und entsprechend ihrer Nachnamen aufgeteilt, schön in Gruppen und mit dreifachem Häcken-Machen in der Namensliste. Wiegesagt, eine Grundschulfahrt in den Ersepark ist dagegen schon ein unplanbares Risikounternehmen.. Passender Weise bekam auch jeder sein eigenes Lunchpaket zugeteilt, wobei ich das echt mal loben muss (der Fanclub hatte mit der Zusammenstellung auch nix zu tun, das kam von der Mensa): Inhaltsstoffe der Plastiktüte waren neben dem süßleckeren Nektarsaft noch ein Eistee (Zitrone, top!), eine Kalorienbombe von Caramell-Riegel, ein Käse-Schinkensandwich und als Krönung die aus England geliebten Vinegar-Chips! Hjam hjam hjam, damit war das Frühstück wenigstens gesichert und man konnte gut gestärkt noch etwas Schlaf nachholen.

Als man irgendwann erwachte, hatte sich die Landschaft am Fenster dann von einer typisch rot-braunen Flachlandschaft auch schon in ein ordentliches Bergpanorama gewandelt. Ich wusste zwar, dass Südafrika durchaus bergig ist, aber zusammen mit dem verschiedenen gold-orangetönen des Sandes hatte das wirklich schon was von Winnetou und Rocky Mountains. Der Bus musste zeitweise echt kämpfen oder durfte wie auf dem Van Reevens-Pass aufgrund der starken Winde einfach nicht schneller fahren, schon wirklich krass. Da gönnte man sich dann auch die erste Rast an einer Tankstelle, die dann auch gleich mehrfach punkten sollte: Zum einen habe ich in ganz Deutschland noch nie ein derart sauberes Herrenklo gegeben, da hätte man ja wirklich aus dem eigenen Pissbecken trinken können (zumindest vorher :-)). Zum anderen grenzte an die Tankstation noch ein kleines Tiergehege, welche u.a. meine Top 10-Favorites, die Truthähne beherbergte. Die sind ja wohl wirklich geil, auch wenn ich auf Rossis Pinguin-Besuch in Kapstadt durchaus neidisch bin. Hier gabs dafür noch ein paar Hühnchen und Gänse und so verging die Rastzeit wirklich wie im Fluge. Weiter ging's also auf der Straße und bis auf ein paar wilde Fahrmanöver (Absperrungen sind was für Langweiler!) und ein paar Begegnungen mit Australiern und Engländern passierte nicht viel. Oder halt - es wäre nicht viel passiert, wenn man in den versprochenen Abständen einfach seine Raststops gemacht hätte. Zwei Stück davon sollte es geben, doch irgendwie konnte der Fanclubaufpasser sich nicht durchringen, eine der unzähligen Tankstellen auf dem Weg als "safe" zu erklären. Und da man an der Investition in ein Navi gespart hatte und die Busfahrer sich in Wahrheit als völlig ortunkundige LKW-Fahrer entpuppten war guter Rat teuer. Auf Höhe Pietermaritzburg (900.000 Einwohner, gut 100 Kilometer vor Durban) drohte die Situation dann gerade seitens der weiblichen Teilnehmer kritisch zu werden und so einigte man sich auf einen Autohof. Dumm nur, dass der offenbar nur auf dem Schild existierte und prompt stand man in einem Township von eben der besagten Großstadt. Die lokale Bevölkerung staunte an ihren Ständen und Bushaltestellen da schon nicht schlecht, drei dicke Offiziellenbusse mit einem Auto Polizeibegleitschutz mitten in ihrem Viertel. Beide Seiten nahmen die kuriose Situation aber absolut humorvoll und so wurde eifrig gewunken und fotographiert, ehe nach einigen Wendemanövern die Autobahn wieder erreicht wurde. Die Toilettensituation war damit aber immer noch nicht geklärt und so wurde halt mitten auf der Strecke auf dem Standstreifen gehalten - soviel zum Thema safe.. :-)

Gute drei Stunden vor Anpfiff wurde Durban erreicht und nach kleinen Unsicherheiten in Sachen Stadionausschilderung auch der Parkplatz mit direkter Stadionnähe erreicht. Das liegt wirklich direkt am Indischen Ozean (keine zehn Minuten zu Fuß) und da am Strand auch noch ein Fanfest aufgebaut sein sollte, war die Entscheidung für einen kleinen Abstecher schnell gemacht. Und um das zu erreichen widersetzte man sich dann auch dreister Weise mal einer letzten Sinnlosanweisung von Fanclubbetreuer Olli: Der betonte nämlich mit bösen Blick und wichtigem Unterton, dass "die FIFA ja gesagt hätte, die Fans sollen möglichst drei Stunden vor Anpfiff im Stadion sein". Jaja, erzähl das deinen anderen Schäfchen und tschüss..

Nach kurzem Rumfragen und Zusammenschließen mit ein paar Redakteuren des Nationalmannschaftsfanzines "Helmut" (cooles Ding übrigens!) fand man dann auch einen Weg zur "Golden Mile", Durbans Partystrecke am indischen Ozean inklusive Casino (hab da mit Gold-Reef-City eingerechnet langsam 'ne Serie:-)). Die erinnerte bei wirklich angenehmen Temperaturen wirklich ein wenig an Mallorca oder andere Partydomizile: Sandstrand (wenn auch gesperrt), laute Partymusik und viel Alkohol auf einer langen Straße mit Palmen, Urlaubsherz was willst du mehr? Hier konnte also durchaus länger verweilt werden und da diverse andere Fans beider Lager die gleiche Idee hatten, konnte man also Australiern wie Deutschen bei ihrer Lieblingsbeschäftigung zuschauen - duff duff duff :-). Und als hätte es nicht passender sein können: Kaum hatte man sich auf den Weg retour in Richtung Stadion gemacht, traf man Fanclubheini Olli, der wohl ebenfalls die Golden Mile suchte. Hat wohl keiner auf Dich gehört, oder wie? :-)

Der Stadioneinlass verlief dann etwas überfordert, da man sich aber recht geschickt durchschieben konnte, hielt sich zeitlich alles im Rahmen. Dafür musste man dann wenig später vor der wirklich unverschämt langen Bierschlange zurückschrecken, immerhin bekam der Herr Papa ein Powerrade von einem mobilen Stand. Da sonst nicht viel zu gucken war, machte man sich also in Richtung seines Platzes im Oberrang auf. Für das heutige Spiel hatte man über die reguläre Verkaufsphase Kategorie eins Plätze bekommen ohne damals zu wissen, dass heute Deutschland am Zuge sein sollte. Aber gut, die Sicht war entsprechend top, man saß wirklich nahezu zentral im obersten Rang. Und kaum hatte man sich gesetzt lief einem dann auch schon der Basti über den Weg - ja so klein kann die Welt sein. Gesprächsthemen für die Zeit bis zum Anpfiff hatte man mehr als genug und so wurde sich über das bisher erlebte ausgetauscht und dabei nicht nur ein Budweiser-Bier an einem extra für den Oberrang geöffneten Stand konsumiert. Basti wollte sich aufgrund seiner Zaunfahne nicht zu weit vom Block entfernen, da ein australisches Paar wohl schon böse Blicke in Richtung Lappen geworfen hatte. Denen ging es aber weniger im den Triumph einer erbeuteten Fahne, sondern eher um die vermeintlich eingeschränkte Sicht. Naja, ihre Kommentare haben sie dafür dann bekommen.. :-)

Zu Anpfiff füllte sich das Stadion dann doch ordentlich und man begab sich zu seinen Plätzen. Die Mehrzahl der Leute in diesem eigentlich neutralen Sektor waren eindeutig den gelben Socceroos aus Australien zuzuordnen, die Deutschen hatten einen Block im Unterrang und boten da eine kleine schwarz-weiß-Fähnchenchoreo. Hören konnte man sie ansonsten nicht, aufgrund der Weitläufigkeit des Stadions aber auch irgendwie logisch. Die Australier waren da schon besser zu vernehmen, da sie in nahezu jedem Block ihre kleinen Grüppchen hatten. Das Moses-Mabhida-Stadion (der gute Herr war übrigens ein kommunismusfreundlicher Gewerkschaftsführer) war mit 62.660 Zuschauern nicht komplett ausverkauft, aber dennoch gut besucht. Optisch weiß das Stadion ansonsten durch einen großen Balken über dem ohnehin schon sehenswerten Bau zu gefallen, konstruiert wurde das alles übrigens von einem einem Deutsche. Den Balken kann man sogar überklettern - wäre ja mal was für unseren neuerdings schwindelfreien BS-Litro :-). Gelegenheit zum Klettern sollte es nach der WM aber genug geben, da in Durban nur ein chronisch geldloser Zweitligist kickt ist die Zukunft des Stadions nicht wirklich geklärt. Ein Rückbau ist genauso denkbar, wie eine Olympiabewerbung 2020 - letzteres wäre natürlich eine wirklich schöne und verdiente Sache, auch wenn die Wasserwettbewerbe bei der Haidichte vielleicht nicht direkt hier stattfinden sollten :-).

Sportlich begann Deutschland dann unerwartet stark und offensiv und so bedurfte es keiner zehn Minuten, ehe ausgerechnet Lukas Podolski mit einem geilen Linksschuss das 1:0 erzielen konnte. Das Sorgenkind Klose setzte wenig später noch einen drauf und so ging es mit einem souveränen 2:0 in die Kabinen, hätte man so auch nicht erwartet. Entsprechend gut dann aber die Stimmung bei Basti und mir und so stellte man sich in die nun wieder recht lange Schlange am Bierstand an. Kurz nach Wiederanpfiff erreichte man dann auch endlich den Thresen, doch was war das: Alle Kühlschränke leer und nur Achselzucken bei den Verkäufern. Haben die Australier uns das ganze Bier weggetrunken, so eine Frechheit - auch wenn's Respekt verdient :-).

Na gut, also zurück auf die Plätze, denn sportlich war die Messe schnell gelesen: Ausgerechnet Australien Shootingstar Cahill durfte nach einem etwas zu harten Einsteigen mit rot vom Platz, Thomas Müller besorgte wenig später mit seinem erstem Länderspieltor das entscheidene 3:0. Australien gab sich entsprechend auf und war noch gut bedient, dass Cacau nur noch das 4:0 beisteuerte. Geniale Leistung des Teams, hätte man so sicher insbesondere nach der Vorbereitung nicht erwartet! Gut gelaunt ging es also zum Bus, wo man schließlich noch zwei Highlights erwarten durfte: Zum Einen wäre da der nun völlig übermotivierte Nervfanclubmensch Olli, dessen dauerhafte Seven Nation Army-Gesänge aber zum Glück weitgehend überhört wurden. Lustiger war da dann schon das vom Ticketkauf bekannte jüngere Päärchen: Eigentlich sonst immer seriös gekleitet hatten sich beide heute komplett in Schale geschmissen und Schlandhut, Fähnchen und allen anderen Unsinn dabei. Und weil man ja den Sieg auch richtig feiern sollte, hatte er sich dann mal richtig die Birne weggeballert und sein Portemonaie scheinbar verloren. Das fand sich genau dann wieder, als er gerade alle Karten gesperrt hatte - völlig frustriert bestieg der Arme unter den Blicken seiner Freundin den falschen Bus. Leute, Leute... :-)

Die Rückfahrt wurde im Grunde komplett verschlafen, irgendwann am nächsten morgen zwischen acht und neun Uhr wurde das Fancamp wieder erreicht. Dort hieß es dann kurz frühstücken und weiterschlafen, denn der Montag sollte spielfrei bleiben.

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