„Chaostage in Wolfsburg“
VfL Wolfsburg II 1:0 (1:0) Eintracht Braunschweig II
27.08.2010, 19.00 Uhr, VfL-Stadion (Wolfsburg), 1.524 Zuschauer
So denn, es sollte also endlich angehen! Die zweite Mannschaft lud zum ersten (befahrbaren) Auswärtsspiel der Saison und die Spielplanstrategen aus Frankfurt
hatten uns dafür ein Gastspiel bei der U23 des VfL Wolfsburgs beschert. Eigentlich
ein Spiel, von dem man sich vor der Saison sicher sein konnte, dass es eh irgendwie
zeitgleich angesetzt werden würde. Doch siehe da, die Polizei wollte wohl mal wieder
ihre Daseinsberechtigung nachweisen und votierte für eine Terminierung auf Freitagabend
und somit war klar, dass sogar beide Fangruppen das Vergnügen haben würden, mal
zu schauen, wie sich die eigenen Nachwuchsfußballer so machen. Natürlich war
das im Vorfeld erstmal zweitrangig, durch das großflächige Mobilmachen der Weekend-Ultragang war man ja schon etwas gespannt, was einem die Wölfis wohl so präsentieren
würden, schließlich ist auch deren Szene gewachsen und beide Vereine vermissen ja so manche Materialen aus der jüngeren Vergangenheit. Aber um das gleich klarzustellen:
Ein Derby ist das Spiel gegen Wolfsburg trotzdem nicht und wird es auch nie werden! Das
Derby gibt es nur gegen Hannoi, lediglich die geographische Nähe zu Wolfsburg macht
das Spiel halt etwas interessanter, als ein Duell gegen Rot-Weiß Ahlen.
Und weil Wolfsburg halt nunmal quasi um die Ecke liegt, entschied sich die aktive
Braunschweiger Szene dann auch, mit dem Zug in die Volkswagen-Wiege zu fahren und
so sammelten sich bei Dauerregen knapp 300 Zugfahrer unter den Dächern des Hauptbahnhofes.
Man selbst war mit ein paar ehemaligen Schulfreunden dabei, nachdem bei einem unserer
Reisegruppe der Tag würdig mit einem kleinen Sit-In begonnen hatte.
Zeitnah machte man sich dann in Richtung Bahnsteig auf, der Zug wurde erwartungsgemäß
übervoll und auch wenn dieses Mal keiner draußen bleiben musste - der Schaffner kam
nicht mehr durch die Gänge durch, was manchmal ja auch nicht verkehrt sein muss :-).
In Weddel musste noch etwas länger auf einen Gegenzug gewartet werden und nachdem das
Hindernis überwunden wurde, wurde der Wolfsburger Bahnhof erreicht. Dort hieß es dann
erstmal warten und auf dem Vorplatz sammeln - ein an für sich logischer Prozess, der
dem recht aggressiven Einsatzleiter der Polizeistaffel aber nicht ganz so gut passte.
Der musste zwar recht schnell erkennen, dass er heute entgegen seines Weltbildes an
seine Grenzen stoßen sollte ("Ihr geht jetzt los" - "Ähm, nein?!") und wirkte dann
noch frustrierter. Naja gut, die Herren der kamen ja ohnehin aus Hannoi und sind
somit eh beliebt wie ein verspäteter Zug, dass sich die Jungs aber in Uniform immer
derart fühlen müssen, bleibt mir aber ein Rätsel. Bleibt doch erstmal entspannt und
schaut, was passiert!
Passieren sollte nämlich bis zum Erreichen des Stadions fast gar nichts, einmal wurde
kurz geschubst und irgendwann dann der Unterführungsurwald am alten VfL-Stadion erreicht. Hier hatte
mein Einsatzleiterfreund dann seine nächste Sternstunde, der manövrierte den gesamten Tross nämlich erstmal
in die falsche Richtung und somit hieß es umkehren und während die Polizei eine neue Strategie entwickelte,
durfte Braunschweig erstmal auf Toilette gehen. Eine ganz große Organisation also, die am Stadion ihren
endgültigen Höhepunkt erreichen sollte: Der VfL Wolfsburg hatte im Vorfeld zwar groß rumposaunt, dass "bis zu 1000 Gästefans" erwartet
werden würden, doch die sollten dann an sage und schreibe zwei Kassenhäuschen ihre Karten erwerben. Davor hatte
die Polizei nun wieder Angst, da wie schon beim letzten Mal eine schlichte Erstürmung des Einlasses gedroht hätte. Und somit
wurde von hinten gedrängelt, vorne aber keine Karte verkauft und im Zuge des Chaoses kam dann auch noch die grandiose
Idee, man könne wahlweise in Zehner-Gruppen an die Kassen gehen oder sich von fliegenden Verkäufern bedienen lassen. Sagmal Leute
habt ihr aus der Loveparade nix gelernt? Das heutige Konzeptpapier würde ich doch mal gerne lesen, aber Hauptsache
die Herren von der Schildkröteninfanterie können am Tag X dann ihre gewichtigen Mienen aufsetzen..
Ich hatte irgendwann dann einfach keine Lust mehr auf das Theater und verließ in Eigenregie den Polizeikessel
und enterte über die Haupttribüne das Stadion. Dort kam ich dann auch keine Sekunde zu spät an, denn gerade als man sich
sortiert hatte, geschahen auf der Gegengerade durchaus interessante Dinge: Die Wolfsburger Fanszene hatte sich von ihrem Sicherheitstreffpunkt
Esso-Tanke gelöst und das Stadion betreten. Damit waren die Ordner dann etwas überfordert (Konzeptpapier!:-)) und so hieß es aufeinmal
Sprint in Richtung Braunschweiger Block. Dort stand passender Weise sogar noch eine Trenntür offen (Konzeptpapier die Zweite!!) und somit hätte einer handfesten Oldschoolkeilerei
im Stadion nichts mehr im Wege stehen können. Das erkannten dann auch die bereits anwesenden Braunschweiger, die sich ebenfalls in Richtung Tür bewegten, doch gerade
als eben jene Pforte zum Himmel (oder Hölle) erreicht wurde, entschieden sich die Wolfsburger anders und machten die Tür einfach zu. Tja, so geht das natürlich
nicht, liebe Bundesligafans - wenn ihr sowas schon anregt, dann müsst ihr das auch durchziehen. So blieb es bei verbalen Auseinandersetzungen und dem Austausch diverser Gegenstände unter dem Anblick sämtlicher
Zuschauer und Sicherheitskräfte - letztere brauchten vielleicht zehn Minuten, um den Ort des Geschehens zu erreichen (Kozeptpa.. ach lassen wir das :-)).
Mit dem Einlaufen der Spieler beruhigte sich dann die Situation, die Polizei begleitete beide Fangruppen wieder artig in ihre vorgeschriebenen Sektoren
und somit widmeten sich alle den kommenden neunzig Minuten. Benbennek hatte mit seiner Sieger-Faust vor Anpfiff in Richtung Gästeblock die durchaus motivierte
Zielrichtung klargestellt und entsprechend schwungvoll begann Eintracht dann auch. Bereits nachs zwei Minuten hätte Göwecke freistehend das 1:0 erzielen können,
traf den Ball bei Dauerregen aber nicht richtig. Ich postierte mich aufgrund des Dauerbeschusses von oben dann auch in den Gästebereich, der alles in allem gut gefüllt war.
Vielleicht 600 Braunschweiger hatten den Weg bzw das Kassenhaus gefunden, der Hauptkern stand im überdachten ehemaligen Gästeblock und sang da eifrig seine Lieder. "Warum habt ihr Huren kein Derby?"
war der Klassiker des Abends und da blieben dann auch die Wölfe stumm, die sich mit einem ungefähr gleichstarkem Pöbel auf der Gegengerade postiert hatten. Man muss
dem Retortenverein schon anerkennen, dass sich hier nach und nach wirklich eine richtige Fanszene bildet, zahlenmäßig war das schon absolut okey und die "Anti BS"-Schals,
die zum Intro gezeigt wurden, müssen ja auch erstmal gepinselt werden.
Auf dem Spielfeld kam es nach einer guten Viertelstunde dann zu einer dummen Unachtsamkeit in der Defensive die der gebürtige Braunschweiger und ehemalige Englandlegionär
Kevin Wolze zum 1:0 nutzte. Das kam natürlich superungünstig und war auch in dem Moment gar nicht mal so verdient. Erst nach dem Gegentreffer brach Eintracht ein wenig
ein und Wolfsburg konnte das Spiel machen - gemessen an den vermeintlichen Qualitätsunterschieden war das aber alles in allem ausgeglichen.
In der Halbzeit schoss die Stadionregie mit dem Einspielen von Cascadas "Pyromania" dann noch den Vogel ab, zu Pyroeinlagen kam es aber (leider) auf beiden Seiten nicht. Lediglich
Wolfsburg bot noch eine *glitzer-glitzer* Choreo mit Fähnchen und einer Wendesymbolik in der Mitte - genau erkennen konnte ich die allerdings nicht. Ansonsten blieb es ruhig,
die Polizei postierte sich einmal um den Heimblock und wir konnten in Ruhe vor uns hinträllern. Nur sportlich sollte der Groschen irgendwie nicht fallen, Eintracht dezimierte
sich durch ein dummes Foul des gerade eingewechselten Sebastian Kmiec selbst und verlor das Spiel schließlich auch am Ende. Schade drum, heute wäre sportlich durchaus was drinne gewesen
und folglich holte sich die Mannschaft auch ihren verdienten Applaus ab. Das war dann auch gleichzeitig für mich und das Fanprojekt das Aufbruchssignal, denn wir wollten nochmal kurz
im Mixed Zonebereich vorbeischauen. Da ließen uns die Panneordner aber leider nur über Umwege hin, die Wolfsburger Fans hatten tatsächlich ein Blocksperre bekommen und folglich versuchten
die Ordner ihre Dauerinkompetenz mit arrogantem Verhalten auszugleichen. Am Ende kamen wir aber trotzdem zu unserem Wunschziel und konnten auch problemlos den AWO-Neuner besteigen, der mich
dankenswerte Weise direkt am Mastbruch absetzte. Auf Zugfahren hatte ich return nicht so die Lust, passiert ist aber wohl nicht mehr viel. Zu Haus hieß es dann schnell ein paar Berichte tippen und wieder weiter in die Stadt - Endstation Röhre :-)