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„Sechs zu Nulle“

 

Eintracht Braunschweig 6:0 (2:0) FC Carl-Zeiß Jena
28.11.2010, 14.00 Uhr, EINTRACHT-Stadion (Braunschweig), 15.820 Zuschauer

Nachdem man mit dem Besuch bei den Basketballdamen der BBG ja ein lockeres Aufgalopp für das Wochenende gestartet hatte, sollte am heutigen Samstag dann wieder der richtige Sport geschaut werden, unsere blau-gelben Fußballgötter empfingen die farblich fast identischen Gäste von Carl-Zeiß Jena. Die Vorzeichen waren dafür durchaus nett, die Sonne lachte warm vom Himmel und dank Rasenheizung stand dem Spiel trotz Restschnees auch nicht ernsthaft was im Wege. Man konnte also in Ruhe noch daheim zu Mittag essen und wurde dankenswerter Weise im Anschluss zum Stadion chauffiert, welches eine gute halbe Stunde vor Anpfiff dann auch über den Umweg Bültenweg staufrei erreicht wurde. Alles völlig normal und so fand man sich nach kurzer Visite auf der Rheingoldstraße pünktlich zum Intro wieder auf der Tartanbahn ein, um dem Fotojob gerecht werden zu können. Dummer Weise gingen just in diesem Moment im Gästeblock bereits ein Blinker und ein paar Böller hoch, die man so schnell nicht abknipsen konnte - schade, aber immerhin bemerkte die Südkurve das Geschehen auf der anderen Seite und quittierte es mit "Pyrotechnik ist kein Verbrechen"-Support, Recht so!

Der Fokus sollte zum Auflaufen der Teams aber ohnehin nicht bei den gut 500 Gästefans liegen, Cattiva war mal wieder kreativ und fließig gewesen und hatte eine simple, aber nette Choreo ausgearbeitet: Zu dem großen blau-gelben Folienspruchband "Gemeinsam dem Aufstieg entgegen !" vor den Blöcken neun und acht gab es blau-gelbe Plastikwürstchen und zum Intro noch Luftschlangen obendrauf. Zumindest der Punkt mit dem Würstchen klappte astrein und fehlerfrei, die Luftschlangen wurden zwar kollektiv geworfen, hätten in der Dichte aber noch etwas mehr sein können. Das ist aber ohnehin nur ein Mini-Kritikpunkt, die Aussage war klar und das Gesamtbild stimmte auch. Im Gästeblock gab es auch sonst nichts weiter, die Ordner hatten sich direkt um die Horda Azzuro postiert und so beließen es die Thüringer bei Bewegungssupport mit einzelnen Doppelhaltern und Fahnen. UB-Symbole oder Leute waren dabei übrigens nicht zu erkennen..

Der Fokus konnte sich nun also in Richtung Spielfeld drehen und somit zum sportlichen Geschehen: Tatsächlich war ich an das Spiel eher mit gemischten Gefühlen gegangen, Jena hatte zuletzt einen guten Lauf und sogar den Erzrivalen und sportlich derzeit besser aufgestellten Feind aus Erfurt im Pokal bezwungen. Obendrein ist die Qualität der Mannschaft rein vom Papier auch nicht ganz so schlecht, wie es der Tabellenstand vermuten lassen dürfte: Orlando Smeekes, Sebastian Hähnge, Ronny Nikol, Moses Sichone und Torhüter Carsten Nulle sind nur ein paar durchaus bekannte Namen in der Truppe von Wolfgang Frank, den man in Braunschweig nicht zuletzt durch sein Tor gegen Dynamo Kiew auch noch bestens in Erinnerung haben dürfte. Genug Gründe also für ein leichtes Bedenken im Vorfeld, doch was man vom Anpfiff weg auf dem Feld sehen durfte, dürfte jedem der 15.820 Zuschauer wohl ewig in Erinnerung bleiben: Mit Beginn des Spiels begann ein Sturmlauf auf ein Tor, nämlich das des eben erwähnten Ex-Bundesligakeepers Carsten Nulle. Im Minutentakt wurde der unter Beschuss genommen und das ist bei weitem keine arrogante Übertreibung. Jena wurde regelrecht vorgeführt und so verzweifelten rdm und ich regelmäßig angesichts der vergebenen Großchancen. Erst in Minute 26 gelang Kumbela das jetzt schon mehr als überfällige 1:0, was zunächst doch etwas erleichterte. Erwartungsgemäß steckte Eintracht danach jedoch ein wenig zurück und ließ Jena zu seiner wohl besten Phase im Spiel kommen, so dass man schon erste Befürchtungen zwecks eines dann völlig unnötigen Ausgleichtreffers bekam. Doch heute hatte der Fußballgott ein Herz für Braunschweig, 41 Minuten waren gespielt als Calamita in der Mitte flach angespielt wurde und den Ball direkt unter die Latte nagelte, 2:0 und damit erstmal Sicherheit gewonnen. Die Zuschauer quittierten es in jedem Fall mit nun völliger Ekstase, bereits wenige Minuten vor der Pause stand das komplette Stadion inklusive Haupttribüne - aus dem Gästeblock hörte man neunzig Minuten lang nicht einen wirklichen Fangesang. Im Zuge der allgemeinen Schlusseuphorie wurde Jenas Abwehr dann zusätzlich noch nervös und so wurde Kumbela direkt vor dem Pausenpfiff nochmal im Strafraum gelegt. Der Gefoulte schoss dann auch selbst, scheiterte aber an Nulle, der spätestens jetzt seinen Titel als eindeutig bester Gästespieler festigte. Schade in jedem Fall für Kumbela - hätte er mal auf unseren Wunsch gehört, den guten Ken "Chicken" Reichel mal schießen zu lassen :-).

Die Halbzeitpause wurde nun halbwegs euphorisiert verquatscht, jeder war sich einig, dass man noch nie einer derart dominante und offensiv geführte Eintracht-Mannschaft im heimischen Stadion gesehen hatte. Das macht echt Laune auf mehr und so ging es motiviert zur zweiten Halbzeit in den Zehner, von wo man dann auch das Spruchband zur zweiten Halbzeit der Cattivisten lesen durfte: "Polizeigewerkschaft: Ihr wollt Schonzeit? - Verschont uns mit sinnlosen Einsätzen! - Gegen uniformierte Gewalttäter!", denke die Aussage kann so unterschrieben werden. Auf dem Feld ging das muntere Offensivspiel aber nahtlos weiter und daher fasse ich mich zu den Fakten mal kurz: In Minute 51 machte Kruppke mit dem 3:0 den Sack endgültig zu und weil sich Jena damit bereits vierzig Minuten vor Ende komplett aufgab, konnte man nun Zeuge einer denkwürdigen Vorführung des Gastes durch unseren Offensivtornado. Fünf Minuten nach dem 3:0 erhöhte Bellarabi mit einem in seiner Art urtypischen Aktion: Erst wurde Verteidiger und Gegenspieler Eismann zum x-ten Mal im eins-gegen-eins vorgeführt und danach ansatzlos in die kurze Ecke geschossen - trocken, hart, 4:0. Besagter Eismann fiel im Nachhinein auch nur noch durch Frustfouls auf, der dürfte heute noch von Bellarabis Tempodribblings träumen. Eintracht legte in jedem Fall weiter los wie die Feuerwehr und weitere drei Minuten später konnte Kumbela eine weite Flanke am kurzen Pfosten unbedrängt einnicken, 5:0 und gerade erst eine knappe Stunde gespielt. Immerhin ließ Eintracht den Jenensern jetzt mal etwas Luft zum Atmen und drehte ein wenig zurück, so dass die Südkurve auch in Ruhe die 67. Minute zelebrieren konnte. Die fand heute dank der 2.500 im Vorfeld verteilten Flyer auch einen Rekordanklang und nicht wenige Leute behaupteten später, sie hätten lange nichtmehr derartige Emotionen im Stadion gespürt. Vielleicht sollte man dazu auch mal unseren guten Stadionfan befragen, der zog nämlich heute Block sieben dem Zehner vor - weil da ja so tolle Stimmung ist, wie er selbst nicht nur einmal betonte. Fehlt mir natürlich der Vergleichswert, aber vielleicht ist im Siebener auch einfach ein besseres Handynetz für die nötigen Facebook-Updates :-).

Das Spiel wurde also weiter von Eintracht dominiert und immer mal mit einer weiteren Großchance untermalt. Dabei machte sich Jena-Keeper Nulle dann endgültig zum Man of the Match, der war wirklich der einzige Grund, weshalb es hier noch nicht zweistellig stand. Das erkannte selbst der letzte Fußballdepp in der Südkurve und es geschah das, was man sonst nur aus englischen Stadien kennt: Spielbezogenes Verhöhnen eines Gegnerspielers auf eine ironische Art und Weise, so dass einem jetzt wirklich die Tränen in den Augen standen. Was mit einfachen "Nulle-Nulle"-Sprechchören bei neuerlichen Paraden begann, endete in "Außer Nulle, könnt ihr alle gehen" und "Nulle auf den Zaun"-Gesängen, wohlgemerkt angestimmt von den Eintracht-Fans. Der arme Kerl im Gästetor war zu dem Zeitpunkt wirklich auch die ärmste Sau im Stadion, zurückgelassen von der eigenen Mannschaft und von den Gästefans für seine Paraden auch noch verhöhnt. Kein Wunder also, dass er dann sieben Minuten vor dem Ende auch noch unter einer Ecke durchsegelte und Kruppke somit zum 6:0-Endstand abstauben konnte, was dem Eintrachtkapitän schon fast selber leid tat. Nach Abpfiff verzogen sich die Gästespieler dann auch entsprechend schnell in den Kabinen (und ohne zu ihren Fans zu gehen), während Nulle von der fast kompletten Eintracht-Mannschaft getröstet wurde - natürlich unter weiteren Gesängen der Kurve. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.. :-)

Es folgten die üblichen Sieges-Rituale der Mannschaft vor der Kurve, während der neue Werbe-Zeppelin beinahe in den Gästeblock krachte (sah zumindest ein bisschen so aus :-)). Das Ganze geschah dann aber leider ohne mich, da die Batterien das 6:0 nicht überstanden hatten und sich für leer erklärten. Gefeiert wurde natürlich trotzdem, auch wenn ich heute freiwillig auf einen größeren Alkoholkonsum verzichtete und nach kurzer Visite an der Gaststätte bereits nach Hause fuhr. Manche Tage sollte man auch einfach nur genießen .. :-)

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