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„Spontan: Zu Gast bei der Queen“

 

Stevenage Borough 1:2 (1:2) Portsmouth FC
09.08.2010, 19.45 Uhr, The Lamex Stadium (Stevenage), 4.236 Zuschauer

Italien 0:1 (0:0) Elfenbeinküste
10.08.2010, 19.45 Uhr, Boleyn Ground (London), 11.176 Zuschauer

Keine drei Stunden nach der Ankunft aus Luxemburg stand also bereits die nächste Tour ins Haus - da die Flüge mal wieder billig waren, sollte es in Sachen Europatournee zunächst ins gute alte England gehen. Für den Transfer zum Standardflughafen Bremen hatte man sich dann sogar einen InterCity gegönnt (was heißt gegönnt - der ist halt im Sparpreis billiger als die Regionalbahn) und nachdem zusammen mit Papa der Bahnhof im Taxi erreicht wurde, konnte der Zug gen Norden bestiegen werden. Der Herr Vater schloss sich der Tour aber natürlich nicht an, sondern fuhr zur Arbeit in Richtung München - da waren wir ja nun aber gerade erst am Wochenende.

Die Zugfahrt verlief langweilig und wurde weitgehend verschlafen und nachdem das Zugticket auch kurzerhand zum Straßenbahnticket gemacht wurde, konnte Ryanair-Terminal E zum dritten Mal binnen eines Monats betreten werden - auch eine gute Quote. Der folgende Flug ist dann genauso wenig der Rede wert, wie der kurze Aufenthalt in Stansted und der anschließende 45-Minutentransfer mit NationalExpress Coach Nummer 777 nach Stevenage, dem heutigen Tagesziel. Stevenage liegt mit seinen gut 80.000 Einwohnern nördlich von London in Herfordshire und somit auch gar nicht so weit vom Stansted-Airport entfernt. Und weil der frisch gebackende League 2-Aufsteiger Stevenage Borough mit Portsmouth FC einen guten Gegner für seine Carling-Cup Premiere gezogen hatte, stand auch am heutigen Montag ein Spiel auf dem Programm - dem Livespieltermin sei dank. Die angesprochende Bustour endete in jedem Fall am frühen Mittag an der zentralen Busstation, das Ganze bei strahlendem Sonnenschein und nicht nur für England wirklich angenehmen Temperaturen. Man entschloss sich also, die Stadt ohne nennenswerte Vorkenntnisse einfach mal zu Fuß zu erkunden und nachdem an der Trainstation Trick 17 angewendet wurde (Abfotographieren des Stadtplans :-)) konnte es dann auch konstruktiv losgehen. Wobei so kompliziert war es dann doch nicht, man geht einfach nördlich vom Bahnhof eine lange Straße entlang und landet zwangsläufig direkt im "Old Town", nachdem zuvor diverse Supermärkte passiert wurden. Die Altstadt ist dann dafür ganz nett, halt very british in Sachen Bauweise und Charme. Trotzdem ist das Ganze schon recht überschaubar und so wundert es schon ein wenig, dass immerhin Größen wie Formel1-Fahrer Lewis Hamilton, Aston Villa-Star Ashley Young und Rupert Grint aus den Harry Potter-Filmen aus dem kleinen Örtchen hervorgegangen sind.

Der bebaute Teil von Stevenage wurde also relativ zügig durchquert und somit blieb noch viel Zeit, um den idyllischen Teil der Stadt in Augenschein zu nehmen - die wirklich großen Parkanlagen rund um den "Fairlands Valley Park", der ungefähr ein Drittel der gesamten Stadtfläche ausmacht. Bei dem heutigen Kaiserwetter bot sich der Besuch also gleich doppelt an und das sollte sich auch lohnen: Viele, teilweise überwucherte Flüsse und große Seen prägen das Bild der Parkanlagen, wo bereits zur frühen Nachmittagszeit ordentlich betrieb war. Insbesondere das kostenlose Mini-Schwimmbad war gerade bei den Familien groß angesagt, man selbst zog aber etwas mehr Ruhe vor und legte sich so in den Schatten mit Aussicht auf eine Hand voll Segelboote, die gerade versuchten, die leichte Brise zu ihren Gunsten zu nutzen. Dank Kicker-Sonderheft und Verpflegung von zu Hause wurde es auch nicht langweilig, so dass die Restzeit wirklich angenehm verbracht werden konnte, ehe es gut zwei Stunden vor Anpfiff langsam in Richtung Stadion ging. Das wurde nach kurzer Beschilderungsverwirrung auch direkt gefunden und nach einmaliger Umrundung des Grounds konnte man im Ticketoffice seine Eintrittskarte zum Glück in Empfang nehmen.

"The Lamex Stadium", wie das Teil sich neuerdings nennen darf, wurde dann auch mangels Alternativen direkt betreten und so wurde man sogar noch Zeuge der Sicherheitsbesprechung der Ordner, die sich aber recht relaxed gaben. Weniger relaxed in jedem Fall als das Moderatorenteam von Sky Sports: Passend zum Pokaltopspiel hatten die sich natürlich auch den Originalpokal herbeigeschafft, nur dummer Weise standen sie mit ihrem Moderationspult direkt in der Schussbahn der Aufwärmspieler von Portsmouth. Das hätte sowohl Pokal wie Moderator beinahe das Leben gekostet, sorgte aber für nette Unterhaltung auf den Rängen. "Die Ränge" meint damit zum Einen die wirklich nette, komplett überdachte Stehplatzgegengerade (in UK ja auch nicht mehr alltäglich), sowie die ebenfalls überdachte Sitzplatzhaupttribüne, auf der auch ich Platz nahm. Hinter den Toren gibt es zum einen eine weitere Stehplatztribüne für Heimfans und eine etwas größere Sitzplatztribüne für die Gäste - beide natürlich auch überdacht, was der Akkustik sehr zu Gute kam. Die Gäste von "Pompey" hatten vielleicht gut 800 Fans mit am Start - viele Lücken waren auf der Tribüne jedenfalls nicht mehr zu sehen, dafür aber einige sehr kultige Gestalten in blau und weiß. Auf der Heimseite füllte sich gerade die Stehplatzgerade sehr ordentlich und bildete damit dann auch gleich den Stimmungskern, der erstaunliches Liedgut zu Tage brachte. Ausgerechnet das eher in Ultrakreisen beliebte, weil italienisch-melodische "Dale Cavese" fand in der heimischen Szene regen anklang und so wurde ganz munter drauf los geträllert - ungewöhnlich für einen Stadionbesuch in England. Offiziell fanden am Ende 4.236 Zuschauer den Weg in das Stadion, was damit zwar lange nicht ausverkauft war, aber wohl für längere Zeit eine Rekordkulisse darstellen dürfte. Stevenage spielt schließlich wiegesagt in der League 2, der Viertklassigkeit. Die Rollen also gegen den Premier League-Absteiger und Pleiteverein Portsmouth an für sich also klar verteilt, aber wie immer hat der Pokal auch hier seine eigenen Gesetze und so spielten beide Teams gleich munter nach vorne. Portsmouth verzichtete zwar auf den zu dem Zeitpunkt abwanderungswillen Kevin-Prince Boateng (ging in der Zwischenzeit zum AC Mailand), dafür stand mit John Utaka durchaus ein prominenter Name auf dem Platz. Der restliche Kader bestand in der Hauptsache aus ehemaligen Acadamy-Spielern, die, der Finanzsituation sei dank, nun ihre Chance bekommen sollten. Und genau so einer traf dann auch in Minute acht, Nadir Ciftci gelang die Führung für Pompey. Die beherrschten nun zumindest optisch das Geschehen und so verzog man sich dann mal in einer ruhigen Minute zum Pommeskauf - um natürlich beim Warten in der Schlange im Hintergrund einen lauten Torjubel zu vernehmen - 1:1. Also fix wieder zurück auf die Tribüne, was sich auch schnell als richtig erweisen sollte - Michael Brown brachte Portsmouth nach 36 Minuten erneut in Führung. Dann war erstmal Halbzeit-Beruhigung angesagt, das Spiel bisher stimmungstechnisch und sportlich sehr fein. Und auch das Halbzeitgewinnspiel gefiel, da durften übermütige Jungspunde nämlich erst dribbeln und dann munter das eigene Maskottchen abschießen - das wär doch mal was für Braunschweig! :-)

Durchgang zwei fand dann zwar unter Flutlicht statt, sollte sportlich aber nicht mehr wirklich an die Geschwindigkeit der ersten Hälfte heranreichen. Portsmouth kontrollierte das Spiel und Stevenage biss sich die Zähne an der Verteidigung und dem Torwart aus. Eine Ausgleichstor wäre schon verdient gewesen, so feierte der Anhang in Blau aber weiter mit "We're going to Wem-be-ly" - ein Gesang, den die Jungs dank ihrer diesjährigen FA-Cupfinalteilnahme ja bereits gut kennen sollten. Es passierte also nichts zählbares mehr auf dem Rasen und somit verabschiedet sich Stevenage bei seiner Carling-Cuppremiere also schon in Runde eins. Für mich hieß es aber nicht ganz so schnell Abschied nehmen, es stand schließlich noch ein Treffen mit PG, einem schwedischen Groundhopper (www.groundhopping.se) auf der Tagesordnung. Der hatte schließlich heiße Ware für den Teamchef geladen, aber da man sich ja gerne mit Schweden trifft, kam mir das Meeting ganz gelegen. Und siehe da, PG hatte auch noch zwei Freunde im Schlepptau und so wurde sich auf der anschließenden Rückfahrt gen London sehr angeregt über den Fußball in meinem Lieblingsland unterhalten. Und als sich PG auch noch als Lehrer outete, waren die Gesprächsthemen sowieso schier unerschöpflich und so verabschiedete man sich quasi mitten im Satz an der Bayswater-Station, an welcher ich den Underground verlassen musste. Für die Übernachtung wurde sich schließlich heute mal ein Hostel gegönnt, das "Hyde Park Hostel" mit Citynähe wurde für 13 Euro im Achterzimmer erwählt - eine großer Griff daneben, wie sich schnell rausstellen sollte. Zunächst wurde ein falsches Hostel angesteuert, dann das Richtige erreicht, auch wenn man da besser vorbeigegangen wäre. Aserbaidschanische Verhältnisse sind noch eine Untertreibung, zwar waren die beiden Moslem-Männer am Eingang noch sehr nett, doch die Inneneinrichtung Marke "baufällig" bis "vergammelt" war für eine Stadt wie London schon eine Frechheit. Dass zusätzlich auch nicht mit Kreditkarte gezahlt werden konnte ging auch gar nicht und dass das Internet auch nicht funktionierte, toppte am Ende noch alles. Es hieß also schnell schlafen gehen, die Duschen waren dank Baustelle auch out of order bzw. es wurde auf die Showers im Flur darunter verwiesen. Also fix ins Bett gehüpft, dass in der Dunkelheit auch nur nach Bedarf bezogen werden konnte. Die Müdigkeit besorgte dann den Rest..

Am nächsten Morgen hieß es dann pünktlich aufstehen, die Warnschilder über ein doch bitte rechtzeitiges Auschecken waren mehr als deutlich und in dem Hostel hätte man vermutlich sofort draufzahlen dürfen. Und so wurde gegen 9.30 Uhr aufgestanden und halt eine Etage tiefer geduscht, das Wasser war wenigstens warm auch wenn die Hygiene wiegesagt der in Aserbaidschan in Nichts nachstand. Bei Rückkehr ins Zimmer ereilte einen dann ein kleiner Schock, von den acht Personen, die hier die Nacht verbracht hatten, waren tatsächlich sechs weiblich und gehörten einer französischen Reisegruppe an. Ich glaub ich checke zukünftig doch vor Einbruch der Dunkelheit ein :-). Als erstes Etappenziel stand dann ein Internetcafé an, welches glücklicher Weise recht schnell an der nächst bestens Hauptstraße gefunden wurde. Dort wurde dann auch ein kurzer Regenschauer abgewartet, ehe es bei typisch bedeckten Wolken auf einen kleinen Spaziergang durch die Kensington Gardens, dem westlichen Teil des Hyde Parks ging. Mit Blick auf eine dort brütende und fleißig arbeitenden Gefiedervieh-Familie wurde dort dann ein kleiner Frühstückssnack eingeworfen, um danach zu Tagesziel Nummer eins zu gehen: Dem Abfahrtsort des für die Nacht gebuchten easyBus-Shuttleservices nach Stansted. Den hatte man in der Vergangenheit zwar bereits genutzt, dann jedoch immer ab der Victoriastation und nicht ab der Baker Street. Und bevor man nachts dann da groß sucht und nachher noch den Bus verpasst, wurde also jetzt mal geguckt, Zeit war ja genug vorhanden. Tatsächlich fand sich die Bushaltestelle auch nicht an den großen Haltepunkten der Baker Street, sondern in der Dorset Street vor dem "Allsop Arms"-Pub (siehe Foto). Lässt sich über Google Maps im Nachhinein ganz gut finden und vor Ort sollte man einfach nach dem Bussteig 19 der Baker Street-Haltestelle auf den Plänen Ausschau halten.

Anschließend hatte man natürlich immernoch massig Zeit, die Uhr zeigte vielleicht gerade elf und so ging es weiter per Pedes, zunächst am Mable Arch vorbei in Richtung amerikanische Botschaft. Die (kostenfreien) Touristenattraktionen werden für mich in London auch langsam rar und da rückte dann mal die Exklave der alliierten Verbündeten in den Fokus. Das Gebäude selbst ist auch recht leicht zu finden, direkt vor dem doch sehr stattlichen Betonbau mit seinem Goldadler befindet sich schließlich auch der Roosevelt-Platz. Der bildet auch so ziemlich das Zentrum der amerikanisch-britischen Freundschaft und so findet man neben einem Denkmal für den ehemaligen US-Präsidenten auch ein Denkmal von General Eisenhower, für Kriegsopfer und die Toten des 11. September im Rahmen des kleinen Platzes. Natürlich tummeln sich auch einige Botschaften, wie die Kanadas oder Italiens im Umfeld und so spazierte man vorbei an dicken Limousinen in Richtung Victoria-Station, dem zweiten Tagesziel. Hier konnte zunächst die Oyster-Card malwieder aufgeladen werden und anschließend beim Lieblings- und Stammimbiss "Food Gallery" das immer wieder gern gegessene "Six Chicken Wings + Pommes + Getränk" für 2,99 Pfund verputzt. Schmeckte natürlich auch dieses Mal perfekt und man war vorallem super satt. Dummer Weise hatte es nun draußen mal wieder mit Regnen angefangen und während man so ohne konkreten Plan in der Gallery saß, kam dann die perfekte Idee: Da wir ja bekanntlich August und somit Sommer schreiben, dürfte sich die Queen ja mit ihrem Gefolge derzeit im Schloss Windsor zum Urlaub aufhalten. Das macht "ihre Majestät" traditionell in jedem Jahr und bietet somit dem dummen Gefolge die Möglichkeit, den Buckingham Palace in ihrer Abwesenheit von innen zu sehen. Damit hatte ich eigentlich gar nicht geplant, nun war die Vorfreude aber da und so ging es trotz Nieselregen schnurstraks zum Palast. Die Schlangen hielten sich vor Ort auch in Grenzen und nach kurzer Wartezeit erhielt man tatsächlich ein Ticket für den letztmöglichen Einlass des Tages um 15.45 Uhr. Gekostet hat der Spaß für Studenten 15,50 Pfund - die Investition tat man natürlich in Anbetracht der Leistung gerne und außerdem fließen sämtliche Einnahmen der Besucher auch an einen Spendenfond. Die Zeit bis zum Einlass wurde dann vor dem Palast am Victoria-Brunnen verbracht, ehe es dann nach kurzer Airport-ähnlicher Kontrolle ins Innere des Könighauses ging. Leider waren Fotos hier tabu, aber jedem Leser sei ein Besuch wirklich herzlichst empfolen! Der Prunk und die Facetten des Palastes mit all seinen Mythen und Geschichten wirken schon eindrucksvoll und sind so auf der Welt wohl einmalig. Man selbst muss auch nicht einer großen Trottel-Tourigruppe folgen, sondern bekommt individuell ein Kopfhörerset in Landessprache, welches passend zum Gehtempo die Geschichte erklärt. Möchte man irgendwo länger bleiben, wird einfach stop oder halt im umgekehrten Fall auf "weiter" gedrückt. Wirkt wirklich alles sehr imposant, nicht zuletzt der Ballsaal, in dem beispielsweise das Originalschwert ausgestellt war, mit dem die Königinnen und Könige seit mehr als 300 Jahren Helden des Empires zu Rittern schlagen. Auch wenn man kein Freund von Kitsch und Monarchie ist, das ist alles wirklich schon sehenswert und so verbrachte man mehr als eine Stunde auf dem Rundgang durch die verschiedenen Sääle und Gänge, ehe man an der Empore zum königlichen Garten herauskam. Der wirkte im Regen natürlich nicht ganz so schön wie auf den Fotos, die Fläche und Ruhe mitten in der Innenstadt ist aber schon beachtlich. Absolut zufrieden konnte es nun also zum Fußball gehen - dem nunmehr vierten und hauptamtlichen Ziel des Tages.

Kurzfristig hatte man auf der FIFA-Homepage gelesen, dass am heutigen Dienstag (und damit außerhalb des Regeltermins) ein Testspiel der Nationalmannschaften Italiens und der Elfenbeinküste im Upton Park von West Ham United angesetzt wurde. Und da dies der letzte fehlende Premier League-Ground in London für mich ist, also ein doppelter Jackpott und ein klarer Besuchsfall, auch wenn das Spiel natürlich an für sich recht sinnlos ist. Sei's drum, ich zähle schließlich auch Testspiel und so ging es mit der District Line in Richtung Osten der Stadt. Rossi hatte im Vorfeld vor der langen Fahrdauer gewarnt, heute war aber nicht so viel los und somit verging die Zeit bis zur Ankunft recht schnell, schließlich lagen ja auch wieder die kostenlosen Metro-Zeitungen aus. Der Boleyn Ground, wie der Upton Park auch genannt wird, ist dann auch nur einen Katzensprung von der gleichnamigen Underground-Station entfernt und damit konnten die restlichen Meter erneut zu Fuß bewältigt werden. Krass war hierbei in jedem Fall der Gegensatz zwischen dem eben noch schnellen und modernen City-Leben zu dem hiesigen eher heruntergekommenden Stadtteil, wo Secondhandläden und eine hohe Migrantendichte das Bild beherrschen. Hat aber in jedem Fall auch etwas für sich und gehört zum Bild von London einfach mit dazu! Das Stadion an sich liegt dann auf der rechten Seite der Straßen und zeichnet sich von außen insbesondere durch seine rustikalen Zäune (den Millwallspielen sei dank) und den beiden netten Türmchen aus. Da passt dann auch die Kirche, die quasi in direkter Nachbarschaft mit den Fußballern lebt, ganz gut ins Bild.

Die Ticketorganisation am Stadion klappte dann problemlos, auch wenn der gute Verkäufer meine Bitte, nicht direkt bei den "italien supporter" zu sitzen nicht ganz verstand. Die sollte auch in keiner Weise rassistisch oder dergleichen bedingt sein, doch das Bild, was die Exilitaliener bereits am Kassenhäuschen abgaben, nervte doch zusehends. Irgendwie kann ich dieser leicht selbstverliebten Art und Sprache nicht ganz so viel abgewinnen - ein Urteil, was aber wohl insbesondere durch den Fußball geprägt sein dürfte. Und somit war ja auch klar, dass heute natürlich zur "Elefanten"-Mannschaft der Elfenbeinküste halten würde, wobei die Frage nach Fanblöcken ebenfalls verneint wurde. Naja gut, also ab in den Ground und mal schaun was so los ist. Los war zu der Zeit natürlich noch nicht viel, am Ende sollten sich 11.176 zahlende Zuschauer eingefunden haben. Eine Zahl, die ehrlich gesagt nichts ganzes und nichts halbes ist - die geöffneten Ränge und Blöcke waren schon ganz gut gefüllt, ein Punktspiel hätte aber sicher die dreifache Zuschauermenge angezogen, auch wenn dann der Gewaltfaktor bei den Strafen ("Life ban") wohl genauso gering sein dürfte. So blieb aber wenigstens Platz genug, meinen Sitz in Reihe drei um mal eben zwanzig Reihen nach oben zu verlegen, es regnete schließlich immer noch und darauf hatte ich ja gar mal keine Lust. Der geneigte Italien-Exil-Fan (Erfolgsfans geht ja derzeit schlecht :-)) blieb dennoch artig sitzen - sehr gut, dann hab ich ja oben mehr Platz, da waren nämlich noch große Lücken. Die Zahlenverhältnisse unterteilten sich sonst in vielleicht zwei Viertel Italiener und Symapthisasten, ein Viertel völlig neutrale Leute und ein Viertel Exilbürger der Elfenbeinküste. Die gibt es in einer Multikultistadt wie London natürlich auch und wer es sich leisten konnte, war heute natürlich vor Ort und machte gar nicht mal so wenig Lärm - wie das klingt, kennt man jetzt ja seit der WM.

Auf dem Platz hatten beide Trainer einen Mix aus etablierten Spielern und Nachwuchskräften aufgeboten, bei Italien spielten beispielsweise die WM-Fahrer und Versager De Rossi, Pepe, Chiellini, Amauri, dazu Skandalkind Cassano und der Stuttgarter Debutant Molinaro. Im Sturm durfte der durch die rassistischen Anfeindungen ebenfalls in die Schlagzeilen geratene Balotelli ran - um auch heute gleich wieder ausgepfiffen zu werden, diesmal aber von den Fans der Elfenbeinküste :-). Die boten ebenfalls einige bekannte Namen auf, die Brüder Touré spielten genauso, wie die Premier League-Kicker Zokora, Kalou, Eboué und der Hamburger Guy Demel. Der Tatsache, dass die Côte d'Ivoire sich zumeist aus englischen Legionären rekrutiert, dürfte auch der eher ungewöhnliche Austragungsort geschuldet sein. Die Aufstellungen wurden übrigens mangels angestellter Anzeigetafel via Werbebande gezeigt - auch mal was neues :-)

An das Spiel selbst bin ich ehrlich gesagt ohne große Erwartungen rangegangen - mal schaun was so passiert und im Idealfall gewinnt der Favorit aus Italien natürlich nicht. Und als hätte der Fußballgott meine grobe Hoffnung erhört, fand das Spiel fast genau nach dem Raster statt: Bis auf einen Balotelli-Freistoß kam bei Italien wenig zu stande, während die Elfenbeinküste viel durch in Laufarbeit investierte und nicht zuletzt nach Doumbias Pfostenschuss auch in Führung hätte gehen müssen. So wurde es im Rund dann auch merklich ruhiger, die Nervfans stellten ihren Support weitgehend ein und nur ein paar offenbare West Ham-Supporter sangen Loblieder auf den nicht ganz sauberen Ex-Unitedkicker und bekennenden Faschisten Paolo Di Canio, der ebenfalls im Stadion war. Zur Pause stand's dann also 0:0 - doch das sollte nurnoch genau zehn weitere Spielminuten so bleiben: In Minute 55 bekam die Elfenbeinküste einen Freistoß und ManCity-Spieler Kolo Touré köpfte unhaltbar zum dann doch unerwarteten 1:0 für die Elfenbeinküste ein. Das gefiel mir natürlich super und während Italien vor Schock den Betrieb einstellte, verwaltete die Elfenbeinküste das Ergebnis bei Dauerregen geschickt über die Zeit. Erst in der Nachspielzeit, und damit absolut italientypisch, fand die "Squadra Azzurra" ihren Faden wieder, doch auch eine letzte gefährliche Aktion in der Schlussminute 93 brachte nichts mehr ein. Aus und Sieg, die Elfenbeinküstler feierten und Italien ist auf dem Weg in die nächste Krise. Tja, nach 2006 trauer ich da mal nur bedingt ;-).

Mit der U-Bahn ging es nach kurzem Gedränge in der eher ungeschickt organisierten Queue wieder zurück in die City. Da man eh noch zu viel Zeit hatte und das Wetter wenig einlud, fuhr man halt noch ein bisschen so herum, ehe es an der Baker Street aussteigen hieß. Dort spielte die Oystercard dann etwas verrückt, das Problem wurde dann aber auf die alte Fußballfanart kurz und schmerzlos gelöst. Die gut dreißig Restminuten wurden an der Bushaltestelle dann auch irgendwie rumbekommen und im anrollenden Mini-easyBus hieß es dann sofort "Augen zu". Fast zumindest, in irgendeinem Vorort von London war auf einmal große Panik im Wagen vor uns angesagt, die dort insässigen Jugendlichen wurden nämlich gerade von einer wohl verfeindeten Gang angegriffen und lieferten sich eine ganz ordentliche Hauerei. Es gibt sie also tatsächlich, die Londoner Vorstadtkriminalität - wobei mir mein Platz im Bus da schon ganz recht war. Irgendwann um ein Uhr nachts wurde Stansted Airport dann nach zwei netten Tagen wieder erreicht und weil um die Zeit natürlich wieder keine Bank frei war, musste halt mal wieder auf dem Steinboden geschlafen werden. Der neue Rucksack ist dafür aber bestens geeignet und so wurden noch ein paar Stunden Schlaf getankt, es am nächsten Tag ja weiter quer durch Europa gehen sollte ..

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