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„Sachsen-Anhalt-Derby in Leipzig - hä?“

 

Hallescher FC 0:2 (0:0) 1.FC Magdeburg
24.11.2010, 19.00 Uhr, Zentralstadion* (Leipzig), 5.035 Zuschauer
*Aktueller Name von der Redaktion geändert ;-)

Manchmal haben Sinnlosigkeiten auch was Gutes - zumindest, wenn sie zwar nach wie vor unverständlich, der persönlichen Situation aber durchaus förderlich sind. So geschehen mit dem heutigen Spielbesuch, dem großen Sachsen-Anhalt-Derby zwischen dem Halleschen FC und dem 1.FC aus Magdeburg. Das wurde von Seiten der Polizei in einem Anflug von Panik erstmal flugs unter die Woche (und damit in die Dunkelheit) und obendrein auch noch in einen neutralen Spielort gelegt. Da der HFC gerade sein altes Kurt-Wabbel-Stadion plattgemacht hat und demnächst einen Europapokaltauglichen Neubau präsentieren wird, kann im Ausweichstadion am Bildungszentrum ein solches Derby nicht verantwortet werden und daher entschieden die Sicherheitsorgane, dass das heutige Spiel eben im Zentralstadion von Leipzig stattfinden muss. Bis auf ein paar verstrahlte Hubba-Bubba-Dosen verirren sich da im Moment auch sonst nur ein paar Vögelchen hin und weil die Sicherheit im FIFA-WM-Stadion ja so toll ist, wird da dann heute mal Ostderby gespielt. Warum auch nicht, ein Sachsen-Anhalt-Derby in 'nem anderen Bundesland und einen gleichen Anfahrtsweg für die Erzfeinde auf Straße und Schienen - das kann ja heiter werden, befanden drei weitere Braunschweiger und meine Wenigkeit, die sich entsprechend schnell für den Besuch des Spektakels entschieden. Mir fiel dabei der Job des Fahrers in die Hände, macht man aber natürlich gerne, schließlich hat man als Student ja Mittwochs bereits frühzeitig Schluss :-). Das hatten die anderen drei in Form von Mike, Timo und Dennis natürlich nicht und so wurde das Auto erst gegen 16 Uhr, und damit drei Stunden vor Anpfiff, komplettiert. Meter machen war also erstmal angesagt und auch wenn die A2 wiedermal pickepacke voll war, gelang das im Skoda der Frau Mama doch recht gut. Die Route über den Harz war aufgrund des frühen Wintereinbruchs nicht in Erwägung gezogen worden - letztlich eine richtige Entscheidung, denn bis zur Ankunft in Leipzig blieben wir von Staus absolut verschont.

Auch die Einfahrtsstraßen in die Geburtsstadt von Leibniz, Wagner und Liebknecht (wilde Mischung..) waren allesamt frei, erst als man sich dem Stadion näherte, begann sich der Verkehr langsam zu stauen. Alles im Grunde nicht so wild - man hatte noch eine knappe Stunde Zeit und befand sich vielleicht vier Kilometer vor dem Ziel, für das man obendrein einen Vip-Parkschein direkt am Stadion besaß. Doch irgendwie wollte es nicht recht vorwärts gehen, hier war eine Straße gesperrt, da stand ein Polizeifahrzeug auf der Kreuzung und der gesamte Feierabendverkehr der 500.000-Einwohnermetropole schien genau jetzt hier langfahren zu müssen. Nervosität machte sich langsam breit und meine Nerven wurden auch langsam gereizter - so extrem hatte ich mir das natürlich nicht vorgestellt. Nach schier endlosem Rumgeeier und nach dem Sichten eines ersten netten Modulmobs (Verein bei den Men in Black leider nicht identifizierbar) erreichte man endlich die entscheidene Kreuzung, in der es in Richtung Stadion gehen sollte. Die Betonung liegt dabei ganz auf dem Konjunktiv - es hätte weitergehen sollen, doch ein dusseliger Streifenpolizistenheini der Marke "Ich weiß nichts, ich kann nichts" ließ uns trotz Berechtigungsschreiben nicht durch: "Isch bin nisch von hieär, isch bin aus Drähschden".. keine weiteren Fragen und leider auch Diskussion zwecklos, der Herr war von alten Eisen und entdeckte ausgerechnet heute seinen militärischen Starrsinn wieder. Die Uhr tickte trotzdem erbarmungslos weiter und somit entschieden sich meine Mitfahrer, den Restweg zu Fuß in Angriff zu nehmen - verübeln konnte ich es ihnen nicht und hätte es am Liebsten ja genauso gemacht, hätte man nicht noch ein Auto wohlbehütet abzustellen. Dennoch brannten bei mir langsam die Sicherungen durch, es war fünf Minuten vor Anpfiff und somit wurde halt mal eine Ampel eigenständig für grün erklärt, eine Polizeisperre umfahren und schließlich in der Käthe-Kollwitz-Straße geparkt. Von da sind es noch rund 500 Meter zu Fuß zum Stadion und diese wurden dann im Sauseschritt auch gemeistert, was aber an der Verspätung von fünf bis zehn Minuten nach Anpfiff leider nicht mehr ändern konnte - fängt ja schonmal gut an.

Immerhin, der Ground wurde in der Vergangenheit mit dem 1.FC Lok ja bereits mal in einem Kreisklassenspiel gekreuzt und einen Intro hatte man auch nicht verpasst. Die HFC-Szene hatte das im Vorfeld ohnehin angekündigt (keine Choreos auf neutralem Boden) und den gut 1.500 Magdeburgern unter den 5.035 Gesamtbesuchern wurde im Vorfeld ohnehin alles verboten. Also erstmal einen Kaffee (mag ich eigentlich nicht, war jetzt aber ein dankbares Wärmemittel) geordert und dem geharrt, was da so kommen mag. Das war auf dem Platz zunächst herzlich wenig, der HFC rangiert wie gewohnt zwar im oberen Mittelfeld, reißt da aber auch keine Bäume aus und der FCM hatte ja bekanntlich am Samstag zuvor sogar bei unserer Zweiten verloren. Daher widmete man sich lieber mal dem Geschehen auf den Rängen, denn da sollte tatsächlich auch direkt was passieren: Im Halle-Block ging ohne nennenswerten Anlass ein Breslauer Feuer hoch, welches zielsicher in Richtung Magdeburg-Keeper Tischer entsorgt wurde (okey, vielleicht war das der Anlass..). An für sich hatte man so was ja erwartet, der Schiri guckte zumindest erstmal erschreckt, genauso wie wohl auch der DFB-Sicherheitsabgeordnete. Halle ist in Sachen Geldstrafen und Pyro ja leider ein gebranntes Kind (tolle Metapher! :-)) und so reagiert man hier auf solche Dinge besonders gereizt, zumindest wenn man die Ansage des Stadionsprechers beim Wort nimmt: "Lasst den Scheiß!" blökte der in feinstem Pöbelton durch die Prestige-Schüssel, was mir doch ein leichtes Grinsen entlockte. Tatsächlich hatte er damit aber wohl den Nerv der eigenen Leute getroffen, denn wenig später prügelte die aktive HFC-Szene einen eigenen Mann aus dem Block und übergab ihn dem Ordnungsdienst - Selbstreinigungsprozess in Farbe und Echtzeit!

Genug aber der Aufregung - passiert war ja letztlich nicht viel bis gar nichts und somit wurde weiter Fußball geschaut: Der wurde auf rot-weißer Seite schließlich auch ständig besser, auch wenn Selim Aydemir zunächst noch auf der Bank saß. Angesichts der Großchancen hätte sich der Club über einen Rückstand wohl nicht beschweren dürfen, zur Pause blieb es aber beim 0:0. Aufwärmen also erstmal angesagt und eine Bockwurst (wann erfinden die hier eigentlich mal den Grill?) gab's obendrauf.

Nach Wiederkehr der Teams dann zunächst das gleiche Bild: Halle hätte längst mit zwei-drei Toren in Führung liegen müssen, doch war zu doof, seine Chancen zu verwerten. Und so kam, was gemäß den alten Fußballregeln kommen musste: Nach 61 Minuten traute sich der FCM ausnahmsweise mal in Richtung Tor von Halle-Keeper Darko Horvat und nach einer flachen Hereingabe bolzte Köhne an die Latte - bzw. genauer gesagt unter die Latte und von dort aus sprang der Ball kurz hinter die Linie und dann wieder raus. Das Netz blieb dabei zwar unberührt, der Schiri zeigte aber zu Recht in Richtung Anstoßkreis und ließ den Gästeblock damit in einen sehr genialen Torjubel verfallen! Total unverdiente Führung, angesichts der Derbybrisanz und der sportlichen Lage aber kaum zu ermessen und entsprechend zelebriert. Sehr, sehr genial und durch einen XXL-Böller untermalt - der FCM ist wieder da! Gut, und bevor es Ärger gibt: Das wurde von Seiten der Maggis natürlich nicht gesungen, dafür punktete Block U nun mit brachial lauten und wirklich guten Gesängen - an der Saalefront war Stille angesagt. Der Stimmungsgesamtsieg ging damit bereits jetzt schon an die Gäste, auch wenn sich die Hallenser für ihren geschmuggelten Anti-Red Bull-Banner natürlich ein Lob verdienen, schließlich steht in der Stadionordnung tatsächlich, dass neben den üblichen verfassungsfeindlichen und diskriminierenden Symbolen auch Parolen gegen die Brauseballer verboten sind - wo lebt ihr in Leipzig eigentlich?

Kommen wir aber zurück zum Spiel, Magdeburg fightete jetzt natürlich mit Mann und Maus, hatte aber auch erneut mehr als nur Glück. Der gerade eingewechselte Aydemir scheiterte aus der Drehung ebenso, wie diverse andere seiner Mitspieler aus einfachsten Positionen. Der HFC im Ecken- und Chancenverhältnis um Längen vorne, einzig das Tor fehlte. Und man kann sich schon denken, was passieren musste: Magdeburg gelang das entscheidene 2:0 durch Georgi, der Deckel auf den Derbysieg. Damit hatten wohl selbst die Maggis im Vorfeld nicht gerechnet und entsprechend euphorisch wurde jetzt gefeiert (selbst einige Nackideis waren mit dabei) und spätestens als der Schiri dann abpfiff, gab es natürlich kein Halten mehr. Das ist übrigens wörtlich zu nehmen, FCM-Verteiger Sumelka legte nämlich mal einen fixen Sprint ein und vergriff sich an einer heimischen Zaunfahne. Die wurde ihm zwar vom Heimtrainer nochmal abgenommen, die Aktion hat in jedem Fall aber absoluten Kultcharakter und dürfte den Jungen nicht nur in Magdeburg unvergesslich machen.

Alles in allem war man mit dem Gesehenen also zufrieden, jetzt galt es nur noch, seine Mitfahrer wiederzufinden. Die hatten sich nämlich während des Spiels im Magdeburger Block aufgehalten und weil man selbst ja auf Halle-Seite war und die Polizei angesichts der Umstände (gleicher Anfahrtsweg und das volle Programm inklusive Wasserwerfer aufgefahren) nichts dem Zufall überlassen wollte, mussten nun erstmal ein paar Telefonkonferenzen gestartet werden. Eine dieser hätte mir auch um ein Haar das erste Mal die direkte Konfrontation mit einer Leuchtspur eingebracht - da stellt man sich schonmal möglichst unauffällig neben eine Polizeieinheit um nicht beim Telefonieren erwischt zu werden und dann wird eben diese Einheit von HFC-Leuten attackiert. Glückslos also gezogen, immerhin wurde ich nicht enttarnt und wenig später traf man seine Mitfahrer auch wieder am Anfangsplatz und konnte die Rückfahrt in Richtung heile Welt wieder antreten. Das gelang dank eines Schwertransports auf der A14 leider nur äußerst schleppend, doch da die Anderen auch einiges von ihren Erlebnissen berichten konnten, konnte die zusätzliche Fahrzeit ebenfalls verquatscht werden. Gegen Mitternacht war dann Feierabend schließlich Feierabend angesagt - netter Ausflug gewesen und die Alternative "Couch" hätte einen schließlich auch nicht weitergebracht :-).

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