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„Einmal Litauen komplett“

 

FK Ekranas 1:0 (1:0) HJK Helsinki
14.07.2010, 19.10 Uhr, Aukstaitijos (Panevezys), 3.000 Zuschauer

 

FK Suduva 0:2 (0:1) SK Rapid Wien
15.07.2010, 21.15 Uhr, Sporto Kompleksas (Marijampole), 3.500 Zuschauer

Einmal Litauen all inklusive bitte - nein, das sollte keinesfalls die Aufforderung zum Fress- und Saufurlaub im Baltikum sein, sondern steht so ziemlich als Fazit unter der knapp dreitägigen Tour inklusive Länderpunkt Nummer Nummer dreißig. Und warum? Weil diese Tour im Grunde die wichtigsten Eckdaten einer Tour in ein neues Land wiederspiegelt, die man so erleben kann: Flugverspätung, Hotelchaos, durchgemachte Nächte, ausführliches Kulturprogramm in den wichtigsten Städten Vilnius und Kaunas und natürlich der Besuch zweier Fußballspiele (passender Weise in zwei weiteren, eher kleineren Städten). Dazu Kreuz-Und-Querfahrten mit Überlandbussen, Konsum unterschiedlichster Biermarken und mehrere menschliche Begegnungen - halt eine "all in"-Tour :-).

Genug also der Vorworte, auf zu den Fakten: Schon lange hatte man den südlichsten aller baltischen Staaten vor sich hergeschoben und nachdem nun durch die Auslosungen in Champions League und Europa League-Quali endlich mal halbwegs sinnvolle Spielbesuche möglich waren, wurde also ein Ryanair-Flug gen Nordosten gebucht. Für ein normales Punktspiel in der Republik, die ganze drei Tage jünger ist, als ich, hätte ich mich auch ehrlich gesagt nur schwer motivieren können..

Am Dienstagnachmittag ging es bei heißen Außentemperaturen also zunächst mit der Regionalbahn alleine zum Lieblingsflughafen nach Bremen. Der Teamchef hatte recht panisch geraten, des engen Zeitfenster wegen doch einen Zug früher zu nehmen, was dann auch getan wurde. Okey, soo viel Puffer hatte ich in der Tat nicht vorgesehen - gereicht hätte es aber dennoch, da die beiden benutzten Verbindungen ab Braunschweig und Hannoi bekanntlich ebenda starten und eher selten durch Verspätungen auffallen. So verließ man den Bremer Hauptbahnhof über zwei Stunden vor Abflug und nachdem eine WWF-Werbedame leider in puncto Wohnort enttäuscht werden musste ("Und wo kommst Du gerade her?" - "Aus Braunschweig!" - ".. und was machst Du da?" - "Ja wohnen??!"), entschied man sich für einen kleinen Spaziergang durch die Hansestadt. Das Wetter lud dazu ja förmlich ein und auch wenn man die Stadtmusikanten, den Roland und die Weser bereits auswendig kennen dürfte, folgte heute also ein Auffrischungsbesuch. Und siehe da, so ein Stadtbummel bringt doch neue Erkenntnisse: Selbst in Bayern habe ich noch nicht derart penibele Polizeistreifen gesehen, wie in Bremens City am Nachmittag. Kurzzeitig kam ich mir vor, wie in einer Razzia: Links wurden Straßenmusiker kontrolliert und abgeführt, rechts Fahrradfahrer via Lautsprecherdurchsage aufgefordert, in der Fußgängerzone doch bitte zu schieben. Na gut, mir konnten die Beamten nichts anhaben und so wurde nach Überquerung der Wilhelm-Kaisen-Brücke die Straßenbahn bestiegen und die letzten Meter zum Flughafen absolviert.

Dort dann wieder das alte Spiel, nach fixem Security-Check und kurzer Belustigung über das angekettete Kind (siehe Foto) stand der Kauf der beiden obligatorischen Ein-Euro-Becks-Dosen im Duty Free Bereich auf dem Programm. Und wie jedes Mal wurde der Kauf ironisch grinsend mit "der leichten Flugangst" begründet, die gute Dame an der Kasse müsste doch langsam mal was merken.. :-). Hätte ich heute aber tatsächlich Flugangst gehabt, wäre das nervlich gar nicht mal so gut geworden, denn es geschah das, was man bei Ryanair eigentlich gar nicht kennt: Gut 45 Minuten Verspätung! Na tolle Wurst, als ob ich nicht schon genug Zeit vertrödelt hätte. Also nett den Vordermann in der Schlange um kurze Gepäckaufsicht gebeten und zwei neue Biere geholt, was dem netten Herrn offensichtlich auch gefiel, denn kaum war ich wieder da, durfte ich auf seinen Koffer aufpassen und er deckte sich ebenfalls ein. Das gefiel wiederrum einer litauischen Frau mit leichten Deutschkenntnissen ganz prima, die bat nämlich gleichmal uns beide, auf ihr Gepäck aufzupassen - und deckte sich ebenfalls mit gleich mehreren Dosen ein. Na denn Prost, die Wartezeit war also überbrückt und der Duty Free Shop durfte sich über unerwartete Neu-Einnahmen freuen :-).

Irgendwann kam dann auch tatsächlich der Flieger und damit war dann erstmal Schlafenszeit angesagt. Die endete abrupt mit der Landung in Kaunas - good morning and welcome in Lithuania! Naja von morning war weit und breit keine Spur, es war stockfinster, kurz vor Mitternacht und offenbar hatte es bereits den ganzen Tag geregnet. Alles ja nicht weiter schlimm, wäre da nicht die dumme Flugverspätung. Gut zwanzig Minuten später als geplant war der Flieger in Kaunas aufgesetzt und damit war mehr als die Hälfte der Passagiere schon bei Ankunft gestrandet. Kaunas gehört nämlich zu dem Typ Flughafen, an dem so viel los ist, wie am Bahnhof in Schandelah und nur zu den Stoßzeiten die Geschäfte öffnen und Shuttlebusse in die Stadt fahren. Auf Verspätungen wird da natürlich keine Rücksicht genommen und so stand man halt da.. Aber gut, man ist ja nett und hat sonst keine Hemmungen, also wurde das erst beste halbwegs jung aussehende Päärchen angequatscht und siehe da - sie eine litauische Englischlehrerin und er irgendwas im Ingenieurswesen, beide zumindest der Weltsprache von der Insel mächtig und mit Fernziel Innenstadt. Es musste lediglich noch auf den Herrn Papa gewartet werden, der den Transport stellen sollte und so gesellte sich in der Wartezeit noch ein Holländer mittleren Alters dazu, eine durchaus nennenswerte Fügung. Zu fünft ging es also im Papa-Mobil die gut zehn Kilometer in Richtung Innenstadt, bewaffnet mit meinem HRS-Hotelausdruck und einem Stadtplan. Ich hatte im Vorfeld über die auf dem Papier durchaus renommierte Kette ein Hotel zum 29 Euro-Spezialpreis reserviert, nachdem die Hostelrecherche eher mau ausgefallen war (kleine Vorabinfo: Es gibt tatsächlich eins, das hört auf den Namen "Hostel 10" - war von mir aber irgendwie übersehen worden). Und so heizten wir also zur angegeben Adresse und nach einer schier endlosen Gurkerei durch irgendwelche Nebenstraßen bekundete der Herr Vater, man wäre jetzt da. Dummer Weise war man zwar schon irgendwie im Stadtzentrum, außer Dunkelheit und irgendwelcher dunklen Häuser und eher unseriösen Straßen aber nix in Sicht. Und auch etwas intensiveres Rumgefahre brachte nur eine Erkenntnis: Mein Hotel gibt es nicht, zumindest nicht hier in dieser Straße oder dieser Stadt. Na schönen Dank HRS, die Laune war jetzt natürlich auf dem Siedepunkt. Flugverspätung, leicht durchnässt, dunkele, unbekannte Stadt, ein unbekannter Fahrer, leichte Müdigkeit und kein Hotel - der erste Jackpott auf war also bereits gezogen. Und als ob man nicht schon genug genervt wäre fing nun mein holländischer Freund auch noch an zu nerven - Junge hast Du die (verdiente) Finalpleite nicht überstanden? Ihm wäre sowas ja nicht passiert, er reist ja viel dauernd hier her und hat den großen Plan. Und wie leid ihm doch der Vater-Fahrer tun würde - ja gut, das tat er mir ja wirklich auch, aber der freche Hinweis, ich hätte ja im Vergleich zur Taxinutzung auch noch Unmengen an Geld gespart war ja mal nicht ganz korrekt, oder nutzt Du nicht gerade auch den gleichen Service, Käsekopp? Aber gut, die Lust auf Pöbeln war gerade nun auch nicht so da und so ließ man sich halt zum Hotel des Nerv-Niederländers mitkutschieren und stieg halt da mit ab. Der Depp hatte sich für das Zwei-Sterne-Hotel Metropolis entschieden und da das im Vorfeld auch zeitweise auch preislich in Betracht gezogen wurde, wurde für die Restnacht (es war nun bereits nach ein Uhr) ein Einzelzimmer für ca 32 Euro inklusive Frühstück gebucht. Doch merklich geschafft fand man seinen Schlaf dann doch recht schnell während draußen erneut ein ordentlicher Platzregen einsetzte - durchmachen wäre also auch eher nicht so prall gewesen..

Am nächsten Tag hieß es gegen neun Uhr aufstehen und nachdem das durchaus gute, weil reichliche Frühstücksbuffet geplündert wurde, stand erstmal ein morgendliches Kulturprogramm auf der Agenda. Von der Hotelrezeption hatte es dazu einen feinen Stadtführer for gratis gegeben und mit dem bewaffnet wurde zunächst vorbei am Kriegsmuseum in Richtung "Old Town" gezogen. Tatsächlich musste man zunächst am Rande des Berges, der den Kern von Kaunas bildet, entlanglatschen um dann nach und nach in die durchaus nette Altstadt vorzudringen. Schöner, typisch baltischer Baustil prägt dort das Bild und zusammen mit sauberen und ordentlichen Pflasterstraßen bekommt man schon das Bild einer zwar kleinen, aber sehr ordentlichen Stadt suggeriert. Den Kern der Altstadt bildet schließlich der Rathausplatz, an dem logischer Weise das Rathaus und die Jesuitenkirche zu finden ist. Beide sind vom Baustil durchaus ähnlich und in schönem weiß gehalten - da es aber nach wie vor leicht bedeckt war, konnte das fototechnisch nicht ganz so gut festgehalten werden. Im Anschluss führte der Fußweg zur nicht weit entfernten Burg, welche laut Wikipedia nur noch eine Restruine der Originalburg sein soll. Gegen den Ruinenstatus wurde zumindest jetzt gerade fleißig was getan und so standen Baugerüste und Kräne um die sonst eher kleine Festung herum. Nach einer Umrundung der Anlage führte der Weg weiter am Neris-Fluss, welcher ein paar hundert Meter weiter mit dem Neumnas-Fluss zusammengeht. Und weil man ja noch Zeit hatte, gönnte man sich den Gang bis zur Flussmündung um anschließend am Neumnas entlang zurück in Richtung Stadt zu ziehen. Auf dem Weg dahin konnte dann auch gleich die Aleksoto-Brücke gekreuzt werden, die sich durch ihre nach wie vor existierenden Sowjet-Embleme auszeichnet. Die Altstadt somit auch laut Touri-Informer komplett besichtigt, also wieder zurück in die Gegenrichtung: Über die endlos wirkende Vilniaus gatvé (gatvé = Straße) mit ihren Bäumen in der Mitte ging es zum letzten älteren Highlight, der Garnisonskirche. Dort tummelten sich ungewöhnliche viele Obdachlose vor dem Eingang - des Rätsels Lösung wurde schnell deutlich, ein Gottesdienst sollte demnächst beendet werden und somit bestand wohl die Aussicht auf eine kleine Spende.

Die Uhr zeigte nunmehr knapp zwölf Uhr mittags an und somit führte der Weg langsam in Richtung Busbahnhof der 350.000-Einwohnerstadt. Passender Weise lag fast auf dem Weg dahin die "Akropolis", ein Konsumtempel, der unseren Schloss-Arkaden in nichts nachsteht. Eigentlich bin ich ja nicht so der Fan von solchen Konsumbutzen, da der Touri-Informer aber die Existenz eines Maxima-Ladens in der Akropolis auswies, war ein Besuch dennoch Pflicht geworden. Wieso? "Maxima" ist eine Einkaufskette, die der REWE Group angehört und in Litauen quasi das Monopol auf alle Shoppingcenter vom Tante Emma-Laden bis halt hin zur großen Arkaden-Filiale hat. Das wäre ja nicht weiter sehenswert, hätte man nicht im Vorfeld im Internet gelesen, dass diese Maxima-Läden in ihrem internationalen Biersortiment ausgerechnet unser Braunschweiger Wolters Pilsener führen sollen. Und siehe da - kaum stand man vor dem entsprechenden Bierregal, stießen aus dem Kühlschrank bereits 0,33 l-Dosen Premiumpils made in Brunswick ins Auge, Kostenpunkt vielleicht gut 50 Cent. Verrückte Weise gibt es dieses Format für den heimischen Markt gar nicht und so deckte man sich natürlich entsprechend ein - Wolterskauf in Kaunas, unglaublich :-)!

Gut gelaunt und zusätzlich noch mit ein paar Käsestangen eingedeckt bestieg man also wenig später einen Reisebus des nationalen Großunternehmens Kautra, welches mich in gut 90 Minuten zum ersten Etappenziel, Panevezys, bringen sollte. Davor hatte mich mein Päärchen vom Vorabend zwar gewarnt ("much crime"), aber da der amtierende litauische Meister in Form des FK Ekranas nunmal aus der Stadt kommt, musste man da also auch hin. Pünktlich wurde das gewünschte Ziel dann erreicht und bei drückender Hitze und nunmehr strahlendem Sonnenschein machte man sich auf eine erste Stadterkundung. Im Gegensatz zu Kaunas ist Panevezys mit 120.000 Einwohnern um einiges kleiner und bietet kulturell auch lange nicht so viele Highlights. Sehr schön ist die Parkanlage rund um den östlichen Teil des mir namentlichen unbekannten Flusses, der einmal durch die Stadt fließt - ein längerfristiger Besuch wurde aber erstmal aufgeschoben, erst sollte schließlich im Hotel eingecheckt werden. Und siehe da, das gebuchte Hotel Perzava wurde tatsächlich am anderen Ende der Stadt gefunden und da meine Reservierung sogar verzeichnet war, konnte das Zwei-Sterne-Zimmer für fünfzehn Euro in Beschlag genommen werden. In jedem Fall eine gute Location, der Preis stimmt und dank der Lage (zu Fuß alles zu erreichen, Supermärkte im Untergeschoss) absolut zweckorientiert. Denn mit "zu Fuß erreichen" meine ich nicht nur den verhältnismäßig humanen Weg zum Busterminal (gut eine halbe Stunde), sondern auch die etwas kürzere Strecke zum Stadion. Dort wurde zunächst mal vorbeigeschaut und sich bei dem durchaus freundlichen und süßen Mädel zwecks Ticketbeschaffung beliebt gemacht. Das klappte dann auch ganz harmonisch ("You can call me Iva") und so sollte die restliche Zeit bis zum Anpfiff am bereits erwähnten Fluss verbracht werden. Dummer Weise zog sich nur genau jetzt langsam der Himmel zu und aus einem heißen, strahlend blauen Tag wurde eine windige, kalte Wand, die binnen weniger Minuten in einen sintflutartigen Platzregen ausartete. Die Hitze hatte sich merklich aufgestaut und entlud sich jetzt in einem wahren Sommergewitter - so zuletzt vermutlich beim NFV-Pokalspiel bei Arminia Hannoi vor ein paar Jahren erlebt. Trotz schneller Flucht unter einen Eingangsbereich war das T-Shirt natürlich unbrauchbar nass und vom persönlichen Gesamtbild her hätte ich auch genausogut im Fluss geschwommen haben können.

Zeit zur Hotelrückkehr war aber keine mehr und so ging es halt pitsch-patsch nass zum Stadion, wobei ich ehrlich gesagt auch leichte Zweifel an der Bespielbarkeit des Rasens hegte. Und tatsächlich, vor Ort schippten Ordner gerade regelrecht die Fluten vom Platz um wenigstens das gröbste Unheil zu entfernen - wäre das heute kein offizielles UEFA-Spiel gewesen, wäre die Absage wohl gebucht. So wurde aber fleißig das Stadion auf Vordermann gebracht, womit das eigentliche Hauptthema der Tour auch endlich genannt werden kann: Fußball! Für den heutigen Mittwoch hatte ich mir zunächst das Champions League-Qualispiel zwischen dem lokalen Meister FK Ekranas und dem finnischen Meister HJK Helsinki ausgesucht. Kein Brüller, aber besser als Liga natürlich allemal. Und entgegen meiner eigenen Erwartungen stellten beide Vereine auch einen kleinen Fanmob und so flaggten Heimultras und finnische Bierbäuche gleichermaßen auf der unüberdachten Gegengerade und sangen vereinzelt ihre Schlachtgesänge, wobei sich die Heimvertreter um einiges profissioneller erwiesen. Das dürften auch die gut und gerne fünfzehn Rapid Wien-Leute erkannt haben, die bereits angereist waren und ja bekanntlich morgen ihr Europa League-Spiel auf dem Programm hatten. Die machten dann auch eifrig Fotos, im Gegensatz zu mir mit aber durchweg trockenen Kameras, meine hatte den Regen natürlich nicht ganz unbeschadet überstanden. Und weil auch sämtliche Taschentücher o.ä. unbrauchbar geworden waren, musste halt mit leicht verschwommener Linse geknipst werden - sieht so aber wenigstens authentisch aus.

Das Spiel selbst war dann natürlich das erwartete Wasser-Gebolze, zwar dürfte HJK um den ehemaligen finnischen Nationalspieler und Djurgardens-Akteur Aki Riihilahti sportlich etwas besser einzuschätzen sein, bei dem Boden neutralisierten sich beide Teams aber fast komplett. Eine Ausnahme bildete dann gleich in die dritte Spielminute, in der die Gastgeber durch einen Distanzschuss von Ramunas Radavicius mit 1:0 in Führung gehen konnten. Es folgten 87 Minuten lang eine nette Mischung aus Wasserball und Fußball, optisch sicher belustigend, sportlich aber wenig hochwertig. HJK wurde vor den gut 3.000 Zuschauern zwar immer besser, zählbares kam dabei aber nicht heraus. Merken sollte man sich vielleicht nur den Namen der Nummer 17, Dawda Bah, der nämlich eine ganz ordentliche Ballbehandlung vorweisen konnte. Wäre ja vielleicht mal einer .. :-). Pünktlich zu Abpfiff hörte es dann auch auch endgültig auf zu regnen und so konnte man wenigstens trockenen Fußes wieder zurück zum Hotel laufen. Unterwegs wurden im Maxima-Laden diesmal zwar keine Wolters Biere, dafür aber eine 1,5 Liter Zitronenwasserbombe und eine Tüte doch recht pappig schmeckender Chips eingeholt, die als Beiwerk zum lokalen Musiksender das Abendprogramm auf dem Zimmer darstellen, ehe man irgendwann einschlief - Schlaf tanken, wer weiß, wann es wieder ein Bett geben wird..

Der nächste Morgen begann dann schonmal mit einer guten Nachricht - die Sonne schien. Also wurden alle sieben Sachen wieder eingepackt, das doch etwas karge Frühstück verputzt (eine Teigtasche plus ein kleines Glas Multivitaminsaft) und dann ein letztes Mal die nun schon bekannte Strecke durch den Ort in Angriff genommen. Um etwas Abwechselung reinzubekommen wurde dieses Mal auch eine Nebenstraße benutzt und prompt auch eine Kirche gefunden, die auch gleich ein Foto Wert war. Kautra brachte einen dann nach kurzem Warten am Busterminal im Reisebus wieder sicher durch die Lande und so konnte gegen zehn Uhr erneut Kaunas betreten werden. Ganze fünf Stunden Puffer hatte man sich nun geben und weil man die Altstadt ja am Vortag weitläufig abgegrast hatte, stand diesmal der touristisch wohl nicht so erschlossene Osten der Stadt auf dem Programm. Der besteht im Grunde aus einem großen Berg und so hieß es erstmal Treppensteigen (Stichwort "alles mal gemacht haben") und einige Stufen später stand man plötzlich mitten im Wald vor einem Freizeitpark der Marke Sowjetunion. Irgendwie bekam man gleich die Bilder vom Freizeitpark bei Tschernobyl in den Kopf, überwucherte alte Schiffschaukeln und Drehkarusselle - Fotographen hätten ihre wahre Detailfreude gehabt. Für mich ging es aber weiter, denn am Ende des Parks wartete mit dem S. Gireno Sporto Centras-Stadion das litauische Nationalstadion das eigentliche Besuchsziel. Dort sollte um die Zeit natürlich noch nicht gekickt werden, gucken kostet aber nichts und so machte man zumindest von außen ein paar Bilder. Auf den Besuch im Inneren verzichtete man, da irgendwelche Techniker am Rumwerkeln waren, will ja nicht sofort einen Stein auf den Kopf bekommen. Das Stadion sieht an für sich aber ganz nett aus, hier kann der Jogi auch gerne mal Station machen :-).

Die abschließende Runde zurück zum Busbahnhof führte dann über die andere Seite des Berges zurück, nachdem irgendwelche Straßen durchquert wurden, die wohl vorher noch nie von einem Braunschweiger gesehen wurdfen, ging es eine recht steile Treppe zu einer Brücke in Richtung normaler Bahnhof. Und weil man ja jeden Tag eine gute Tat vollbringen soll, schenkte man unterwegs seine Rest-Zitronenwasserflasche noch zwei fragenden Jogger-Männern, die bei der Schwüle tatsächlich ihrem Sport nachgingen. Naja, den Euro werde ich verschmerzen können.. ;-). Am Bahnhof wurde sich noch kurz über das tatsächlich kaum vorhandene Personen-Schienennetz in Litauen gewundert, selbst in einer Stadt wie Kaunas fahren keine zwanzig Züge am Tag! Entsprechend sauber und leer war dann auch der Bahnhof und weil es also hier nichts mehr zu erleben gab, ging es per Unterführung inklusive Stop in einem kleinen Copyshop zum Emails-Abholen wieder zurück zur schon gestern besuchten Akropolis. Hier wurde diesmal bei KFC Essen für wenig Geld eingeholt (komplettes Menu unter fünf Euro) und anschließend sogar noch ein Gratis-Wasser abgegriffen. Entsprechend gestärkt konnte es also zum nächsten Ziel auf der Tourkarte gehen, Marijampole. Gut, das klingt jetzt nicht so spektakulär und um ehrlich zu sein ist es das auch nicht. Gut 47.000 Einwohner beherbergt die Industriestadt im Süden des Landes, die im Grunde auch schnell zu beschreiben ist: Neben einem alten Stadtkern, der im Wesentlichen aus einem Bahnhof besteht, folgen zwei lange Straßen, die in klassisch-zentralistischer Manier auf beiden Seiten Plattenbauten beherbergen und ihr Ende in mehreren Fabriken finden. Dazu noch ein Schrottplatz, ein Gefängnis und fertig ist die Planstadt aus Sowjetzeiten. Dummer Weise sollte genau diese Baustruktur mir dann aber zum Verhängnis werden, da man bei Google Maps nur flüchtig nach dem Stadion gesucht hatte, staunte man nicht schlecht, als man zwar vor einem Ground, dafür aber dem alte Stadion des Heimvereins FK Suduva angekommen war. Also wieder zurück zum Bahnhof gelatscht und da auf dem Plan etwas entnervt gesehen, dass das neue Stadion nur unweit des Alten gelegen hätte. Also wieder retour - das ganze beide doch nicht unerheblicher Hitze und mit Gepäck, Gesamtgehdauer knapp neunzig Minuten. Schön ist was anderes und so war man dann doch recht erleichtert, endlich am niegelnagelneuen Fußball-Komplex angekommen zu sein.

Mit Hilfe von EU-Geldern hat sich das litauische Spitzenteam vom FK Suduva diese Anlage im Norden der Stadt zusammenbasteln können, das Prunkstück ist natürlich das Stadion als kompletter Allseater für gut 9.000 Besucher. Dazu gibt es aber noch qualitativ gute Trainingsplätze und eine Indoorhalle in Originalspielfeldgröße. Alles supermodern und nach europäischen Standards gebaut, könnte ich mir für unser irgendwann hoffentlich Realität werdenes Leistungszentrum auch ganz gut vorstellen. Gut zwei Stunden vor Anpfiff war aber sonst auch noch nicht viel los und so holte man zunächst seine Karte ab um anschließend mit einem einheimischen Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen, der gerade die Vip-Plätze dekorierte. Immerhin sprach er auch ein ganz vernünftiges Englisch und so wurde etwas für den Fußball dieser Welt philosphiert, ehe er auf die Musik zu sprechen kam. Tatsächlich schien ihn die viel mehr zu interessieren und voller Stolz holte er seinen mp3-Player heraus - um mir Lieder davon via Stadionlautsprecher (!!) vorzuspielen! Unglaublich, sowas zwei Stunden vor einem Europa League-Spiel, aber gut - die Musik der Marke Punkrock auf russisch war auch ganz okey :-). Da der gute Mensch dann aber auch irgendwann wieder zur Arbeit musste, verließ ich das Stadion erstmal, um mich zu einigen einheimischen Familien und Jugendlichen zu gesellen, die an einem anliegenden Fluss gerade badeten und Sonne tankten. Hatte ein bisschen was von einem Tankumsee-Ausflug und so döste man halt auch ein wenig und vernichtete die letzten Wolters-Bierreserven.

Gut dreißig Minuten vor Anpfiff hieß es dann ab ins Stadion, denn zwei Reisebusse hatten immerhin auch die Ankunft der Fans und Spieler von Rapid Wien angekündigt. Für die Anhänger war heute Mottoshirt-Tour angesagt, alle in grün mit einer "12" auf der einen und dem Rapid-Logo auf der anderen Seite. Das sah an sich schonmal sehr geschlossen aus, doch spätestens als die Jungs den Block betraten, ergab es eine selten derart kompakt wirkende Masse: Die Ultra-Chefs dirigierten, wer wo zu stehen hätte und wo welche Fahnen und Banner zu sehen wären, alles strikt und perfekt durchorganisiert. Schon irgendwie bizarr, alle zogen mit und ergaben so ein Gesamtbild, wie vielleicht dem einer politischen Vereinigung oder dergleichen - in jedem Fall ein krasses Schauspiel. Unterbrochen wurde das ganze nur kurz vor Anpfiff, als sich eine Gruppe Heimultras ganz geschickt in Rapid-Trikots getarnt, anschickte den Gästen mal einen Besuch abzustatten. Wurde aber in Anbetracht des recht dilletantischen Versuchs und der Kompaktheit Rapids recht schnell enttarnt und so mussten die Litauer doch schneller laufen, als ihnen wohl lieb war und bekamen dabei auch noch gleich ein paar Schubser verteilt.

Zum Intro zogen die Rapidler dann auf Kommando ihre T-Shirts aus und hoben sie alle gen Himmel, um sie dann ebenfalls auf Kommando zu drehen - sah natürlich wirklich gut aus und auch der Wendeeffekt war nicht verkehrt. Die Rapid-Vips, die ebenfalls mit Trikots versorgt waren, verzichteten zwar - alleine ihre Präsenz in eben diesen Shirts war schon cool. Auf der Heimseite wurden von den gut zwanzig Ultras Fähnchen gewedelt, insgesamt dürften gut und gerne 3.500 Zuschauer auf der Haupttribüne Platz genommen haben, die Gegengerade war aus Sicherheitsgründen nicht geöffnet. Und wie auch auf den Rängen waren die Rollen gleich verteilt - während sich die Gastgeber halt bemühten, konnte Rapid die entscheidenen Akzente setzen: Stimmlich konnte dem geschlossenen Auftritt halt wenig entgegen gesetzt werden und auf dem Platz gelang durch den deutschen Publikumsliebling Hofmann schnell die Führung. Daran sollte sich bis zur Pause auch nichts ändern, auch wenn Suduva gerade bei Standards doch gefährlich vor das Tor kam. In der Halbzeit ging dann langsam die Sonne unter und brachte so den Himmel zu wirklich wunderschönen Farbspielen in gold und rot, von denen man dann nur durch die Anzeigetafel abgelenkt wurde: Dort wurden nämlich keine Werbeclips gezeigt, sondern zunächst recht heftige Unfall-Präventionsvideos der Polizei und anschließend ein Werbespot der Suduva-Ultras mit Fotohighlights der letzten Saison. Und da war dann wirklich alles dabei, Pyro, Randale und als Krönung ein Anti-Red Bull-Bild, sehr genial! :-)

Auf dem Platz sollte sich der Schiri langsam in die Herzen der Zuschauer pfeiffen, der verlor langsam ein wenig seine Linie und gerade die drei recht stark schwitzenden Litauer vor mir wurden von Pfiff zu Pfiff immer böser auf den Mann in gelb. Ob der proportional wachsende Schnapskonsum ebenfalls ein Indikator für das Verhalten sein kann, sei hingestellt - da Rapid kurz vor dem Ende aber auch das 2:0 gelang, war dann auch so Ruhe und die Wiener konnten ihre Rapid-Viertelstunde in Ruhe zelebrieren. Und so konnte man dann auch unbehelligt nach Abpfiff wieder die schon bekannt Route über die lange Hauptstraße in Richtung Hauptbahnhof gehen, wobei das im Dunkeln liegende Gefängnis keinen ganz so netten Eindruck machte. Sollte mir aber im Grunde ja egal sein, gegen Mitternacht stand schließlich die finale Busetappe nach Vilnius an und anschließend sollte ein Hostel auf die müden Beine warten. Auf den entsprechenden Reiseauskunftsseiten hatte man mit der weißrussischen Baranovic-Linie auch einen Anbieter gefunden, doch dummer Weise hatten die irgendwie vergessen, Marijampole dann auch wirklich anzusteuern. Um null Uhr stand zumindest kein Bus da und weil er das auch nicht um eins und auch nicht um zwei Uhr tat, war das Durchmachen am Busbahnhof also langsam Realität. Gibt sicherlich schönere Dinge, als eine Nacht im Land von Hannibal durchzumachen, aber da die Temperaturen ja noch halbwegs warm waren, konnte man das wenigstens halbwegs ertragen und somit auch dem Punkt "durchmachen" ein Kreuzchen geben. Lediglich der anliegende Rangierbahnhof und die vorbeirasenden LKWs störten etwas und so dauerte es etwas, bis die Augen endlich zufallen konnten.

Der gestellte Wecker wurde dennoch nicht benötigt, man wurde gegen fünf Uhr schon so wieder wach und konnte um sechs immerhin den ersten Bus des Tages nach Vilnius besteigen. Der Begriff Bus übertreibt bei dem Gefährt zwar maßlos, aber da die Fahrt eh verschlafen wurde, will ich nicht wissen, was da unterwegs alles so geschehen ist. Immerhin wurde Vilnius sicher und zu den ersten Sonnenstrahlen erreicht und damit das letzte Kapitel dieser bunten Litauen-Tour eröffnet, Kultur in der Landeshauptstadt. Um ehrlich zu sein hatte ich mich kaum mit den Vorzügen Vilnius auseinandergesetzt und so ging es zunächst querfeldein in Richtung Innenstadt und selten wurde ich wohl derart positiv überrascht: Vilnius ist wirklich wunderschön und stellt meiner Meinung nach sogar Riga in den Schatten! Die City ist UNESCO-Kulturgeschützt, war sogar mal Kulturhauptstadt Europas und die Dichte an alten Gebäuden, die Sowjetzeit und politisch unruhige Epochen überlebt haben, ist wirklich hoch. Dazu noch eine schier unvorstellbare Dichte an Kirchen verschiedenster Glaubensrichtungen (ich hab nichtmal ansatzweise alle knipsen können) und fertig ist die wirklich sehenswerte Innenstadt. Da fielen dann auch die müden Beine wenig ins Gewicht und man machte einen Großspaziergang bis weit über die Nerisbrücken und die Burg hinaus in Richtung Finanzzentrum. Hier wird gerade fleißig gebaut und fast alle bekannten Großbanken setzen sich einen Glaspalast an die Uferseite und wie sollte es anders sein fand man auch hier ein Akropolis-Arkadenladen. Dort gab es dann eine Früh-Mittagspizza, ehe es mit der Route über den Staatspalast, Rathaus (inklusive Zitatswidmung von George W. Bush) und Katholiken-Kathedrale mit anliegender Botschaft (sind ja nicht blöd, die Kelten:-)) wieder zurück zum Bahnhof ging. Natürlich wird diese kurze Passage den vielen Facetten und Schönheiten Vilnius nicht nur ansatzweise gerecht, schaut euch einfach die Bilder an und reist am Besten selbst mal her - ich werde es sicher nochmal tun und mir dann auch mehr als einen Tag hier gönnen, denn das war heute wirklich der absolute Schnelldurchlauf. Aber gut, die Planungen ließen heute nicht mehr zu und so musste man halt wieder zurück zum Busbahnhof, wo bereits kurz nach mir der gebuchte Eurolines-Bus "Lux Express" einfuhr. Von dem wusste ich bis auf den vielversprechenden Namen nicht viel und umso mehr konnte das Gefährt begeistern, in dem man dann Platz nehmen durfte. Für kleines Geld gab es enorm viel Beinfreiheit, eine Steckdose zum Handyaufladen und Musik via Bordfernsehen, so macht Reisen Spaß. Man hätte sogar auf Lounge hochbuchen können und dann Getränke und Snacks umsonst bekommen können, ich glaube das wird sogar nächstes Mal gemacht.

Als Reisemöglichkeit durch das Baltikum sind diese Lux-Fahrzeuge in jedem Fall top und so entspannte man, bis am frühen Abend Riga erreicht wurde. Von dort sollte mich Ryanair nämlich wieder zurück nach Bremen bringen, da es die Anbindungen schlichtweg nicht anders möglich machten. Vorher stand noch ein kleiner Spaziergang am bekannten Daugavas-Fluss auf dem Programm, viel neues gibt es mit Ausnahme einer Baustelle auf der anderen Uferseite aber nicht zu berichten und meine Besuch-zu-Spielquote in Riga ist dank des gut benutzten Airports auch eine Katastrophe.:-) Der Ryanair-Flug verlief unspektakulär und so endete die All-inklusive-Tour dann in Bremen, wo dann mit dem alten FSJ-Kumpel Daniel noch die Nacht standesgemäß durchgefeiert wurde. Man gönnt sich ja sonst nichts :-)

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