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„Polen im Schnelldurchlauf“

 

KS Promien Zary 1:0 (0:0) MZKS Chrobry Glogów
16.10.2010, 11.00 Uhr, Stadion MOSRiW (Zary), 800 Zuschauer

 

KKS Lech Poznan 0:1 (0:0) Zaglebie Lubin
16.10.2010, 18.15 Uhr, Stadion Miejski - Arena Kielc (Poznan), 20.000 Zuschauer

 

KS Raków Czestochowa 1:2 (0:0) Zaglebie Sosnowiec
17.10.2010, 12.00 Uhr, Stadion Raków (Czestochowa), 5.000 Zuschauer

 

Górnik Zabrze 1:0 (0:0) Wisla Krakow
17.10.2010, 17.00 Uhr, Stadion im. Ernesta Pohla (Zabrze), 7.000 Zuschauer

Zugegeben, die Reisen nach Polen sind zuletzt etwas spärlich ausgefallen. Umso mehr freute man sich, als man durch die Spielplangestaltung "Glück im Unglück" hatte und durch die Freitagsterminierungen des Profi- und des U23-Spiels die Möglichkeit bekam, ein gesamtes Wochenende mit einer kleinen Tour zu bestreiten. Der Teamchef lieferte dazu dann noch das passende Angebot und auch wenn Ralfi nach seinem moralischen und finanziellen Desaster um die Doch-Nicht-Suspendierung des nigerianischen Verbandes als Mitfahrer absagte, stand der Fahrt nichts mehr im Wege.

Irgendwann kurz nach fünf am Samstag fuhr also wieder Mal ein Mietwagen mit Dürener Kennzeichen im Mastbruch vor und weil man ja nun erst vor gut vier Stunden aus Bremen wiedergekommen war (und dort auch sicher nicht nüchtern geblieben war), hieß es nun erstmal Schlaf nachtanken. Das klappte dann auch hervorragend, denn außer dem guten Herrn Pfohmann hatte sich niemand sonst für die Tour begeistern können. Mit anderen Worten stand mir die Rückbank komplett zur Verfügung und das wurde dann auch zur Gengüge genutzt, denn als die Augen das nächste Mal wieder geöffnet wurden, tankte Dirkie bereits ein erstes Mal auf polnischem Boden. Draußen war es nun auch hell geworden (Sonne trotzdem Fehlanzeige) und so war erstmal Frühstückszeit angesagt, auch wenn es für den Teamchef noch kein heiß ersehntes Tankstellen-Hotdog geben sollte. Dafür war das erste Tourziel bereits zum Greifen nah, im kleinen Örtchen Zary (keine Fahrstunde von Cottbus entfernt) sollte das erste Match des Tages steigen. Das war eigentlich nur als Beiwerk rausgesucht worden, doch spätestens als man zum Parken am schicken Stadioneingang vorfuhr, hellten sich die Augen bereits auf: Unerwartet viel Polizei tummelte sich um das Tor zum "Stadion MOSRiW" und ließen vermuten, dass man vielleicht doch etwas mehr geboten bekommen sollte.

Der direkte Weg zum Glück führte zuvor nochmal zu Fuß zum lokalen Einkaufszentrum (vermutlich dem Highlight des Ortes) und natürlich auch nochmal direkt zum Präsidium des Vereins, Meister Schulz musste schließlich persönlich nochmal vorstellig werden. Tickets gab's dafür trotzdem keine, dafür nette orange Leibchen, die wir fortan tragen durften. Ein an für sich guter Service, der angesichts der identischen Vereinsfarben des heutigen Gastes von Chrobry Glogów jedoch auch schön daneben hätte gehen können. Tat es aber nicht, denn nach kurzer Irritation kannte man auch schnell alle bekannten Ordner ("Völlig Panne!!") und traf obendrein noch ein jüngeres deutsches Päärchen, die zwar von der Materie Groundhopping recht wenig Plan hatten, aber halt auch mal was sehen wollten. Enttäuscht sollten sie in jedem Fall nicht werden und damit also rein ins Spielgeschehen:

Offiziell 800 Zuschauer hatten sich zum heutigen Viertligamatch in das niedliche Stadion eingefunden, was quasi als Mini-Allseater bezeichnet werden könnte. Zwei kleine, unüberdachte Tribünen auf beiden Seiten und hinter den Toren nichts - unspektakulär, für die Liga aber angesichts der sonstigen Zuschauerzahlen zwischen 50 und 250 absolut ausreichend. Heute war aber nicht der Durchschnitt, Glogów ist Polens vierter Liga vergleichbar mit dem 1.FC Magdeburg in unserer Regionalliga Nord, halt ein Publikumsmagnet, der in dieser Spielklasse eigentlich nichts zu suchen hat. Entsprechend mobil hatte auch die Heimseite gemacht, die einen durchaus unerwartet großen Supporterblock stellten und sich auch nicht entmutigen ließen, als alle Kibice vor dem Spiel seitens der Polizei abgefilmt und kontrolliert wurden. Die Gäste trudelten erst zu Anpfiff komplett in den Block bzw den Nachbarsektor ein und nachdem die Zaunfahnen montiert wurden, begann auch dort der Support. Das gefiel durchaus gut und pushte beide Mannschaften jeweils ganz ordentlich, so dass das dargebotene Gebolze auch gar nicht mal so schlecht war. Glogów spielt nach wie vor um den selbst als Pflichtziel ausgegebenen Aufstieg mit und entsprechend offensiv gingen die Spieler in den orangen Trikots auch zu Werke. Aber apropos Trikots: Die Farben sämtlicher heutigen Spielbeteiligten war eine ausgemachte Katastrophe, orange, neongrün und violett für die Schiris - igitt! Da richtete man dann doch lieber den Fokus auf die Ränge und sollte da auch nicht enttäuscht werden: Zunächst präsentierten die Gäste eine kleine Fähnchenchoreo in Vereinsfarben, ehe sich die Heimseite ebenfalls auf die eigenen Farben besann und diese mit Plastikschals zeigten. Da das aber nicht ganz so eindrucksvoll wirkte, wurde in den Farben dann auch nochmal ordentlich losgezündet, was für uns doch etwas unerwartet kam, aber absolut zu gefallen wusste. 1:0 für Zary also auf den Rängen und wenig später dann auch auf dem Platz - in Minute 49 gelang Dariusz Bryjak die etwas unerwartete Führung für den Underdog aus der Provinz. Das freute auch den lokalen Fanfotographen, der direkt neben uns stand, tierisch und weil der trotz des Tores nicht sofort wieder zurück gen eigener Kurve ging, war klar, dass noch etwas passieren sollte. Passierte dann auch recht bald, als sechs Bengalos sowohl den Heimsektor, als auch unsere Augen erneut zum Leuchten brachten. Damit hatte man ja weißgott bei dem Kick nicht gerechnet und um sämtliche Klischees von unterklassigen Polen-Spielen noch zu vollenden, gab es wenig später hinter dem Gästebereich auch noch handfesten Ärger. Ein Ordner hatte sich wohl zu weit aus dem Fenster gelehnt und lief nun um sein Leben bzw bekam vom hinterhereilenden Mob entsprechend auf die Mütze. Bis auf die Polizei interessierte den Vorgang aber kaum jemanden und die benannte Staatsmacht löste das Problem dann auch recht schnell durch massive Präsenz und einzelne Festnahmen. Wenigstens der lokale Vereinspräsident kam mit tiefsten Schuldgefühlen nochmal vorbei und entschudligte sich für das Verhalten der Fans - wenn der gewusst hätte, dass wir ja letztlich genau deswegen da waren :-). Am Ende blieb es schließlich beim 1:0 und für uns war auch alsbald Abfahrt angesagt. Die verzögerte sich dann aber dank technischer Problem noch etwas: Dirkie klagte über höllische Zahnschmerzen.

Tja, dass das mit den Süßigkeiten auf Dauer so nicht gutgehen kann, wurdem Teamchef ja nicht nur einmal gesagt und entsprechend bedröppelt saß unser großer Hopper-König dann auf dem Beifahrersitz, vernichtete die letzten Schmerztablettenvorräte aus dem Notfallpaket und beleidigte zur Ablenkung das Navi durch, wobei wobei nicht ganz klar wurde, ob er wirklich hoffte, eine Antwort von der Frauenstimme des Computers zu bekommen :-). Das nächste Anlaufziel war also klar, eine Apotheke musste her und sollte beim im nächsten Tagesziel Poznan dann auch in einer Art ECE-Center gefunden werden. Teamchef nun also wieder ganz der Alte und topmotiviert, so dass es im Sauseschritt gleich wieder in den nächsten Ground ging: Dem neuen EM-Stadion von Lech Poznan. Die haben ihren Umbau im Hinblick auf die Europameisterschaft 2012 bereits als Erster fertiggestellt und heute sollte das erste Ligaspiel im fertig gebastelten "Stadion Miejski - Arena Kielc" anlaufen, nachdem in der Europa League bereits vor ausverkauftem Haus die Dosen aus Salzburg nach Hause geballert worden. Nicht umsonst zählt das Fachpublikum Lech zu den derzeitigen absoluten Top-Szenen in Polen und entsprechend gespannt war man dann schon auf den heutigen Kick. Das Stadion selbst macht in jedem Fall einen wirklich schönen Eindruck, insbesondere die geschwungene Dachstruktur weiß zu gefallen. 46.500 Zuschauer finden fortan dort Platz, womit auch der einzige Wehrmutstropfen des neuen Stadions genannt sei: Es handelt sich um einen reinen Allseater. Aber gut, wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg und also ab ins Vergnügen.

Dirkie hatte sich im Vorfeld erneut um seine Art der Ticketorganisation gekümmert und nachdem die Lech-Geschäftsstelle gut zwei Stunden vor Anpfiff erstmal durch Teamchef auf Betriebstemperatur gebracht wurde, hatten wir unsere Bilety auch alsbald in den Händen. Zeit genug also noch, trotz schneidenem Wind eine landestypische "Kielbasa"-Wurst als Art Mittag-Abend-Brot-Essen zu verzehren - Note eins! Die Dinger sind echt top, kosten nicht viel, schmecken äußerst gut, machen wirklich satt - und werden obendrein noch von äußerst hübschen Bedienungen ausgegeben, hjam hjam hjam :-). Um dem Wind dann langsam aus dem Weg zu gehen, enterte man das Stadion dann doch recht zeitnah, wobei die Spendenboxen für kommende Choreos geschickt umgangen wurden - mit Recht, wie sich rausstellen sollte. Entgegen der großen Erwartungen sollte heute nämlich optisch rein gar nichts präsentiert werden, "lediglich" der gewohnte Schaleinsatz konnte für Fotomotive herhalten. "Lediglich" ist dabei natürlich schon ein wenig untertrieben, eine derartige Mitmachquote gibt es in Deutschland wohl nur selten und auch an die Lautstärke dürfte kaum ein Verein heranreichen. Dennoch hatte man sich gerade aufgrund der Umstände (guter Gegner, neues Stadion) schon etwas mehr erhofft. Vom Gästeblock konnte man leider dank unserer Sitzposition nicht viel ausmachen, dafür machten sich die orangenen Supporter von Zaglebie Lubin auch so lautstark bemerkbar. Mit im Gesangsprogramm bei denen sogar die polnische Variante von "Werdet zur Legende", die sich angesichts des doch recht dumpfen Gesangsgrundton der polnischen Sprache recht ulkig anhörte. Offiziell hatten sich zum Anpfiff dann 20.000 Zuschauer eingefunden - eine eher dürftige Zahl, die auch uns nicht wirklich begeistert und wohl auf die sportliche Ausgangslage zurückzuführen ist: Während Lech international durchaus für Furore sorgt und u.a. Juventus Turin ein 3:3 abgetrotzt hat, gelingt dem Spitzenteam in der Liga nicht wirklich viel und mit mageren acht Punkten aus acht Spielen droht sogar der Sturz in die Abstiegsränge. Selbst der ex Bundesliga-Spieler Artur Wichniarek kann daran wenig ausrichten und somit blieb entzog ein Großteil der Anhänger ihrem Verein heute mal die Liebe und blieb daheim. Angesichts dessen, was uns in den kommenden neunzig Minuten auf dem Platz geboten wurde, fehlen einem da im Grunde auch die großen Gegenargumente, denn beide Mannschaften spielten insbesondere eins: abgrundtief schlecht! Gut, der Acker von Rasen tat sein übriges dazu, aber im Grunde musste man sich mit Anpfiff auf ein 0:0 einstellen. Lech bekam nichts auf den Schirm und Zaglebie (selbst in akuter Abstiegsgefahr) brauchte eine ganze Weile um festzustellen, dass da heute ja tatsächlich etwas gehen könnte. Als der Groschen endlich gefallen war, legten die Gäste dann auch gut los und erzielte nach 74 Minuten durch einen wirklich sehenswerten Distanzschuss von Mateusz Bartczak die verdiente Führung. Der Gästeblock nun natürlich am Toben und auch stimmlich langsam in der Oberhand, während bei Lech erste Pfiffe laut wurden. Die hätten kurz vor Ende beinahe noch bestärkt werden können, doch Lubin verpasste es, aus fünf Metern freistehend den Sack zuzumachen. So musste noch ein wenig gezittert werden, ehe der Schiri dem Gruselkick ein Ende setzte - Pleite für Poznan und Freude in Orange.

Wir hatten für heute jedoch genug gesehen (ziemlich zynische Phrase angesichts von zwei Toren in zwei Spielen :-)) und mit Teamchef als Frontläufer ging es schnurstracks zurück zum Auto und dann über die dunkelen Baustellenautobahnen zum Übernachtungsziel nach Lodz. Das hatte Dirkie im Vorfeld wie gewohnt als einsame Weltklasse beschrieben - naja okey, das Zimmer war angesichts des Preises schon okey, doch bereits beim Einchecken wurde Dirkie belehrt, dass es dieses Mal kein "reichhaltiges Frühstück" geben sollte. Und weil sonst auch nicht viel los war, beschlossen der Herr Pfohmann und ich, uns mit ein paar Bieren von der naheliegenden Shell-Tanke den Abend zu versüßen. Damit konnte Dirkie zwar nicht viel anfangen ("Patty, Du bist Alkoholiker - das ist doch schon mindestens dein zehntes Bier!!"), für gute Stimmung war aber dennoch gesorgt und auch manche lustige Laberei kam nun zu Tage. So wurde schnell geschlussfolgert, dass die Kombi Pfohmann-Teamchef so im Grundsatz nicht geht. Von letzterem werden die angestrebten Touren schließlich stets als "Wird eine Bombe" gepriesen, doch spätestens im Stadion erweist sich die Bombe dann meistens als Blindgänger - oder wie Pfohmann selbstironisch feststellte: "Ich bin wohl der Bombenentschärfer" :-).

Am nächsten Morgen lachte dann bereits beim Aufstehen die Sonne aus dem Fenster und nachdem sich Pfohmann und ich fertiggemacht hatten, wurde Dirkie langsam geweckt. Der war natürlich sofort putzmunter und pöbelte uns quasi im gleichen Atemzug an, es würde "in zehn Minuten losgehen, keine Sekunde später." Den Umstand, dass wir bereits auf gepackten Koffern standen, übersah er dabei leicht und so war die verspätete Abfahrt eher seiner fehlenden Orientierung geschuldet, aber gut. Zeit hatten wir ja ohnehin noch genug, das Frühstück fiel schließlich wie beschrieben heute aus, weil nicht gebucht. Da sich die Lust auf ein neuerliches Hotdog zumindest bei zwei Dritteln der Besatzung in Grenzen hielt (das andere Drittel wollte natürlich eins und legte damit auch erstmal zeitweise den Tankstellenbetrieb lahm :-)), ging es also zunächst auf die Autobahn und erst an einem etwas kurios gelegenen Rasthof wurde bei McDonalds eingekehrt. Naja, prall ist das nicht - angesichts des polnischen Preisverhältnisses kann man sich aber auch das mal gönnen. Und tatsächlich ist das Frühstücksmenu bei der Fastfoodkette durchaus essbar, hätte ich im Vorfeld auch nicht so vermutet.

Weiter ging es dann bei nunmehr strahlendem Sonnenschein in Richtung Süden, genauer gesagt in den Wallfahrtsort Czestochowa. Der ist mit 239.319 Bewohnern ungefähr so groß wie Braunschweig und hat auch einen durchaus attraktiven Stadtkern und eine nennenswerte Geschichte - zumindest laut Wikipedia, denn wir sahen von den kulturellen Highlights des Ortes heute genau nichts und fuhren quasi direkt zum Ground des lokalen Vereins, dem KS Raków Czestochowa. Natürlich einerseits schade, andererseits stand heute aber auch ein wirklich gutes Spiel auf dem Programm und da wollte selbst ich nur ungern unpünktlich erscheinen. Bereits rund um das Stadion liefen bereits weit vor Anpfiff kleinere und größere Truppen Jugendlicher umher und daher zog man es vor, den Wagen auf einem Parkplatz und nicht in einer Nebenstraße abzuparken. Den Rest ging es also dann zu Fuß zum Stadion und siehe da, gleich mehrere Straßen waren bereits durch vermummte/u.o. böse dreinblickende Polizisten mit Gummischrot-Gewehren abgesperrt. Der Grund dafür offenbarte sich uns dann auch recht schnell, der heutige Gegner von Zaglebie Sosnowiec war bereits eingetroffen und wurde auf einem anliegenden Spielplatz festgehalten. Das sah durchaus etwas kurios aus, wurde aber nur noch durch eine Kirche getoppt, vor deren geöffneten Eingang (es ist ja Sonntag) ein Wasserwerfer parkte :-). Man war also zweifellos am richtigen Ort angekommen und so wurde flugs das Stadion betreten. Der Begriff Stadion ist dabei durchaus etwas differenziert zu betrachten, gut 6.000 Plätze dürfte das Gebilde aus Stahlrohr und alten typisch-polnischen Tribünen wohl fassen, wobei der Gästekäfig durch seine eben besagte Käfigstruktur wieder herausragte. Mir sollte es aber recht sein, schließlich attestierten die anderen beiden Mitfahrer, dass sich im Vergleich zu deren ersten Besuch bei Raków einiges am Ground getan hätte. Und weil die Heimseite obendrein gerade mit dem Montieren einer Choreo beschäftigt war, waren die Vorzeichen also durchaus gut.

Etappenweise füllte sich dann auch der Gästebereich bis auf den sprichwörtlich allerletzten Platz (dürften wohl gut und gerne 500 Gäste am Ende gewesen sein) und auch die Heimkurve wurde nach anfänglichen Befürchtungen doch noch bestens gefüllt. Die Fußballbibel 90minut.pl wollte am Ende offiziell 5.000 Besucher vermerkt haben - aktueller Saisonrekord in der gesamten dritten Liga! Und dennoch war es auch beim Auflaufen der Teams merklich ruhig im weiten Rund, sowohl Heim- wie Gästefans schwiegen und so entstand eine doch etwas ungewohnte Fußballatmosphäre. Erst nach gut einer halben Stunde Spielzeit bekam unsere Haupttribüne Instruktionen, wieso denn geschwiegen würde - ein Heimfan namens Bolek (für den auch ein Trauerbanner hing) war im Vorfeld verstorben und offenbar wurde symbolisch für seine Lebensjahre (im Verhältnis zur Spieldauer) geschwiegen. Das ist insofern erstaunlich, als dass es wiegesagt auch im Gästebereich bis zu Beendigung der Trauerphase aus Respekt konsequent still blieb und erst nachdem die Heimkurve ihre Trauer-Choreo (bestehend aus Stoffbahnen, die ein graues Kreuz auf schwarzem Untergrund bildeten) unter Applaus des gesamten Stadions (!) präsentiert hatte, legte auch Sosnowiec richtig los. Das geschah dann zunächst auch in Form einer Choreo, deren Inhalt den Vereinsnamen ungefähr zum Evangelium erklärte und das durch den Einsatz Wroclaw-Feuern noch untermalte - schick, schick :-). Zur Halbzeit stand es trotzdem auf dem Platz 0:0, doch rein optisch waren wir schonmal zufrieden - ganz im Gegensatz zu Dirkie, der mit der unerwartet langen Schweigeminute nicht wirklich viel anfangen kann: "Polen wird langsam auch 'ne Katastrophe, in der ersten Liga wird dauernd gestreikt und unterklassig stirbt halt so ein Bolek.." - naja, lassen wir mal so stehen :-). Dafür gab es auch nach dem Seitenwechsel gleich wieder viel zu knipsen, die Heimseite hatte mittlerweile ihren Zaun äußerst ordentlich beflaggt (darunter auch eine Freundschaftsfahne von Stal Stalowa Wola), wobei die Keltenkreuze auf einzelnen Heimfahnen mit Polenfahnen überhängt worden. Wo wir beim Thema Politik wären, denn die scheint bei Rakow sowieso eine ganz gute Rolle einzunehmen: Der Gesang "Ave Rakow" mit der entsprechenden Gäste zum Römergruß (den man heute wohl eher als Hitler-Gruß identifizieren dürfte) wäre in Deutschland in jedem Fall ein absolutes Tabu, hier zog aber die ganze Kurve fleißig mit (siehe Bilder). Krasse Motive in jedem Fall, die aber wenig später durch das Geschehen auf dem Rasen in den Schatten gestellt worden: Nach einem Konter war Gästspieler Michal Filipowicz alleine durch und konnte zum 0:1 einschieben. Der Gästeblock nun also am Toben und auch wieder vollzählig vertreten (zuvor hatte es an hinter dem Block wohl irgendwelchen Ärger mit der Polizei gegeben), die Heimseite bedient. Erst in 68. Minute keimte angesichts einer guten Freistoßposition wieder Hoffnung auch und noch während Teamchef und ich wetteten, ob der Ball denn in die Mauer oder über das Tor gehen würde, erzielte Pawel Kowalczyk unter gütiger Mithilfe des Gästekeepers den unerwarteten Ausgleich. Das veranlasste die Heimkurve zu einem äußerst ekstasischem Torjubel, der dem Zaun teilweise beinahe das Leben gekostet hätte und noch während die Fahnen wieder alle hübsch gerade montiert wurden, gab es wieder Freistoß. Dieses Mal aber für die Gäste und auch dieses Mal sollte es klingeln - innerhalb von zwei Minuten gelangen beiden Teams ein Freistoßtreffer, so auch noch nie erlebt. Rakow damit aber endgültig geschockt und bedient, Sosnowiec spielte das Ergebnis ruhig nach Hause. Ruhig blieb es ansonsten auch rund um das Stadion, so dass wir entspannt und ohne weitere Vorfälle zur letzten Etappe unserer Tour kommen konnten: Dem Abendspiel zwischen Górnik Zabrze und Wisla Krakow im polnischen Kohlepott.

Das Spiel klingt auf dem Papier sicherlich nicht schlecht, sollte heute aber bereits von Beginn an nur als Beiwerk betrachtet werden: Dank der Baufälligkeit des 1934 errichteten "Stadion im. Ernesta Pohla" von Gornik ist der hiesige Gästebereich offiziell gesperrt und somit finden bisher sämtliche Ligaheimspiele Gorniks ohne Gästefans statt. Damit fehlt natürlich der große Reiz an der ganzen Sache, da Zabrze nun aber halt auf dem Rückweg lag, nutzte man die Gelegenheit zum Besuch halt aus und für mich sollte ja auch trotzdem ein schöner alter Groudn bei rausspringen - angesichts des Bau-Booms in Polen wohl bald auch eine Seltenheit. Das Stadion wurde dank Dirkies Ortskenntnissen (unglaublich, der kennt sich selbst in Zabrze aus) auch fix gefunden, wobei Pfohmanns Aussage, im polnischen Pott könnte man sich eh nur anhand der Graffitis orientieren, sicher sehr treffend ist. Die Städte gehen fließend übereinander ein und lediglich die wirklich künstlerischen Reviermarkierungen der Lokalvereine von Katowice bis Bytom lassen so grob erkennen, wo man sich denn gerade so genau befindet. Alternativ könnte man sich sonst wohl auch an den diversen Kohletürmen und Förderanlagen orientieren, wobei insbesondere der "Guido", der heute auch als Bergwerksmuseum dient, hervorsticht. An dem fuhren wir dann auch tatsächlich mal vorbei und Dirkie konnte sogleich von einer Anekdote aus den Anfangshoppingzeiten berichten, als der Ralfi zur Feier des Tages gleich mal in ein paar Loren für das Familienalbum possieren durfte - da wäre man ja zu gerne dabei gewesen :-). Das Gesprächsthema lenkte sich damit zwangsläufig erstmal wieder auf die reichlich vorhandenen Hoppingfreaks aus Nah und Fern (ganz großes Thema!!) und wurde erst mit Erreichen des Grounds beendet. Der erste Eindruck erfüllte in der Tat auch alle Klischees des alten Stadionbaus und so machte man sich dann auch gleich an das Betreten des Grounds. Hier kam dann zwangsläufig der zweite Blick dazu und der offenbarte, dass auch in Polen nicht mehr alles Nostalgie ist: Am Stadioneingang muss sich jeder Zuschauer einer Art biometrischen Datentests unterziehen, der das eigene Gesicht mit einer Datei möglicher Verbrecher abgleicht. Wirklich krass und aus deutscher Sicht, der sich über Nacktscanner am Flughafen beschwert, im Grunde unvorstellbar. Aber gut, wir erhielten trotzdem Einlass und nachdem Teamchef auch hier erstmal die Geschäftsstelle in helle Aufregung versetzt hatte, gönnte man sich abschließend gleich zwei Kielbasa zum Abendbrot. Damit waren die Rest-Zlotys auch quasi ausgegeben und man platzierte sich auf die ausgewiesenen Plätze auf der Haupttribüne und beobachtete die Heimseite beim Aufhängen ihrer Banner. Wobei die gefühlte Mehrzahl der Banner auch gar nicht Gornik zuzuordnen gewesen sein dürfte, vielmehr hingen auch noch Freundschaftsbanner aus Nah und Fern - mit Zarbze (zu deutsch auch "Hindenburg") darf in Polen wohl jeder mal irgendwie irgendwann befreundet sein :-).

Der Gästeblock blieb erwartungsgemäß Krakow-freie Zone, wobei sich trotzdem ein paar Heimfans da rumtummelten und damit dem Sinn der Sperrung aus Sicherheitsgründen doch arg in Frage stellten. Ändern ließ es sich jetzt aber ohnehin nicht mehr und man stellte sich also auf eher eintönige neunzig Minuten Fußball ein. Immerhin konnten auf dem Spielfeld bei doch langsam einsetzender Herbstkälte ein paar bekannte Gesichter begrüßt werden: Ex Union-Spieler Michael Bembem mischte bei den Gastgebern genauso von Beginn an mit, wie der ehemalige Braunschweiger Weltenbummler Serge Branco auf Wisla-Seite. Beide sollten aber in den kommenden neunzig Minuten kaum auffallen, was angesichts der spielerischen Armut, die einem da wieder präsentiert wurde, auch nicht weiter verwunderte. Die offiziell 7.000 Zuschauer hatten dennoch ihren Spaß und gerade die Gegentribüne fand in dem Boca Juniors und Cavese-Klassikerlied große Freude und sang sich zeitweise regelrecht in Ekstase - Youtube macht's möglich :-). Trotzdem stand es zur Pause wieder mal 0:0 (Rekordverdächtig!) und man amüsierte sich in Ruhe über die Vips, die etwas planlos an einem Urvieh von Menschen vorbei in ihren Wichtig-Raum geleitet wurden. In der zweiten Halbzeit passierte aber erneut auch nicht viel, ohne Gästefans fehlt halt insbesondere in Polen das Salz in der Suppe und so war man froh, in der 83. Minute wenigstens den nicht unverdienten 1:0-Siegtreffer für Gornik durch Aleksander Kwiek bejubeln zu dürfen, der die Stimmung nochmal nachhaltig verbesserte. Für mich war das also alles in allem ganz okey, die anderen beiden waren angesichts ihrer hohen Messlatte natürlich nicht so begeistert und so hieß es pünktlich mit Abpfiff ein letztes Mal zum Auto sprinten und zügig gen Braunschweig zurückzufahren, Montag sollte auf jeden schließlich wieder eine Verpflichtung warten. Leider machten zwei etwas nervige Staus (teilweise Stillstand) und die diversen durchgeknallten LKW-Fahrer unserem zügigen Fahrtplan einen Strich durch die Rechnung und so wurde Teamchef nach und nach immer hibbliger, was darin mündete, dass ich wie schon in Luxemburg beim Aussteigen beinahe wieder überfahren worden wäre. Man man man, Dirkie.. Aber auch dieses Mal blieb der Fuß heile und so wurde Braunschweig um ziemlich genau zwei Uhr nachts nach gut 700 Kilometern Rückfahrerei erreicht. Fußballpaket deluxe! :-)

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