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„Englische Stimmung beim Rugby“

 

Tshwane University of Technology 25:18 (13:13) Nata Bulle
12.06.2010, 12.00 Uhr, University-Stadium (Pretoria), 120 Zuschauer

Tag drei im Fanvillage von Pretoria sollte seinen Startschuss gegen neun Uhr am Morgen erleben, dann hieß es in jedem Fall aufstehen. Auf dem Weg zum Frühstück machte man die Bekanntschaft mit einem Pfau - da ja größere Safaritripps leider eh nicht im Tourprogramm vorgesehen waren also eine ganz besondere Begegnung :-).

Zum Frühstück selbst gab es diesmal sogar gleich mal ein Steak, na so wünscht man sich das! Entsprechend gestärkt entschied man sich nach absolvierter Dusche (gab davon für die acht Zimmer genau zwei Stück, wobei eine wenigstens durch eine Tür vom Rest der Welt abgeschnitten werden konnte) für einen kleinen Spaziergang zum Stadion der University. Das war einem natürlich schon bei der Ankunft ins Auge gestochen und die Sonne am Samstagmittag lud ja geradezu zum Spaziergang ein. Und siehe da, kaum erreichte man den durchaus sehenswerten Ground, konnten auch diverse bunte Spieler beim Warmmachen gesichtet werden. Na das ist doch mal was, auch wenn man am Aufbau des Spielfeldes schnell registrieren musste, dass hier statt Fußball wohl der Rugbysport zu Hause ist. Aber gut, neben Fußball ist Rugby ja die südafrikanische Sportart schlechthin und da in Deutschland noch nie ein solches Spiel begutachtet wurde (warum eigentlich nicht, stumpfe Prügelsportarten sind doch an für sich immer ganz witzig?! :-)), wurde sich also im Schatten der Haupttribüne platziert. Und kaum hatte man sich gesetzt, fiel einem auch genau das auf, was wohl sämtliche Reiseführer beschreiben: Rugby ist der Sport der Weißen. Auch zwanzig Jahre nach Ende der Apartheit waren die Meisten der gut und gerne 120 Zuschauer weiß, die Spieler bis auf wenige Ausnahmen sowieso. Es ist einfach nach wie vor in der Gesellschaft verwurzelt, dass die weißen "reichen" Besatzer diesen vermeintlich elitären Rasensport ausüben, während die schwarze sogenannte "Unterschicht" in den Townships hinter irgendwelchen Coladosen im Sand herkickt. Umso historischer war daher seinerzeit auch die Rugbypokalübergabe von Nelson Mandela nach dem Triumpf der dann offiziell gemeinsamen südafrikanischen Rugbymannschaft bei der Weltmeisterschaft 1995 im eigenen Land - noch dazu, da Mandela das Trikot des weißen Kapitäns trug.

Von diesen ganzen Prozessen war aber heute wiegesagt nicht viel zu sehen, es spielte die Auswahl der Tshwane University of Technology gegen das ebenfalls in Pretoria ansässige Team der Nata Bulla im sogenannten Carlton-Cup, einer Art Kreispokal in Pretoria. Heißt also Sport auf Amateurniveau und gleichzeitig also in seiner Reinkultur. Entsprechendes Publikum war dann auch zugegen, während die Heimseite eher aus Spieler - Studenten -freundinnen und Familien bestand, die sich einen schönen Samstag in der Sonne machten, hatte der Gastverein seinen Stammpöbel mitgebracht und der legte dann auch gleich Mal ordentlich los. Rein sprachlich kam das schon ganz gut an den guten alten englischen Fußball ran, das berühmte "Fuck"-Wort ersetzte das restliche Vokabular und bereits kurz nach Anpfiff konnten erste Alkoholerscheinungen registriert werden :-). Gab vor Ort auch ordentlich Sprit zu kaufen, man selbst fragte im Vereinsheim eigentlich nur nach "something to drink" und wurde gleich vor die Wahl Bier oder Schnaps gestellt - und das um zwölf am Mittag! Da man aber die Regeln des Spiels wiegesagt noch nicht wirklich kannte und doch wenigstens ein bisschen kennenlernen wollte, entschied man sich gegen das nette Angebot und für eine 1a-Zuckerfanta - die vermutlich bei übermäßigem Konsum eine gleiche Wirkung ervorrufen dürfte.

In Sachen Regelwerk bekam man dann Hilfe von einer Studentin der Universität, die einen Spieler aus ganz persönlichen Motiven supportete. Hoffe der hat die Kontaktaufnahme dann auch nur rein sportlich gewertet, so ein Rugbytier brauche ich nicht als persönlichen Feind :-). Zu privaten Fragen kam man aber ohnenhin nicht, denn zum Einen begann das Spiel dann auch schon bald und zum anderen dauerte die Erklärung der Regeln dann doch quasi die komplette Spieldauer. Ich bitte jetzt potentielle Rugbykenner von Protestmails abzusehen, aber ich schilder mal das, was ich so grob aus dem Spiel ablesen konnte: Die Situationen beginnen im Grunde immer gleich, beide Mannschaften rennen wie zwei Rammböcke gegeneinander und schieben sich solange durch die Gegend, bis irgendwann dieses Ei frei wird. Dann nimmt sich ein Märtyrer des Teams das Ding und rennt damit um sein Leben in Richtung Gegnerhälfte mit dem Ziel lebend da eine gewisse Linie zu überqueren. Daran wird in der in der Regel natürlich gehindert und so wird das ganze zu einem geordneten Verprügeln, bei dem es für jeden erfolgreichen Husarenritt erstmal zwei Punkte gibt. Die können auf sieben Points noch aufgestockt werden, wenn der überlebende Sprinter auch noch in einer Art Freistoß das Ei durch die zwei Stangen ballert - was bei der Form gar nicht so einfach ist und ungefähr jedes zweite Mal gelingt. So kommt es in jedem Fall zu einigen Punkten für beide Teams und irgendwann ist auch Halbzeit. Die genaue Spielzeit konnte ich aufgrund der diversen Verletzungspausen nicht bestimmen und dann belasse ich es dabei auch mal.

Nach der Halbzeit wurde dann noch eine Fotorunde gedreht, optisch bietet das Stadion nämlich nicht nur die angesprochene Haupttribüne, sondern auch einen schönen Blick auf die Skyline von Pretoria und die auf einem Berg liegenden Union Buildings, dem Sitz des südafrikanischem Präsidenten. Dazu noch pfiffige Details wie eine handbetriebene Anzeigetafel - schade, dass hier halt kein Fußballsport betrieben wird. Der wird ein paar Plätze weiter auf einem langweiligen Sportplatz ausgeübt, selbst der anliegende Hockeyplatz hat immerhin noch kleine Stahlrohrtribünen - vielleicht ändert sich durch die Weltmeisterschaft da ja mal was. Vom Sportlichen gibt es dann nicht mehr so viel zu berichten, aus dem 13:13-Halbzeitstand wurde ein letztlich klarer und verdienter Erfolg für die überlegene Unimannschaft, 25:18 hieß es am Ende. Zwischendurch prügelten sich die Spieler dann auch nochmal auf illegale Art und Weise, was der doch etwas schmächtig wirkende Schiri aber unterbinden konnte.

So ging es doch recht zufrieden über die neue Erfahrung zurück zum Fanvillage, wo man pünktlich zum 0:1-Gegentreffer von Ottos Griechen gegen Südkorea im Fanzelt eintraf. Das Spiel endete am Ende 0:2, die Pause bis zum anschließenden Argentinienspiel wurde mit Essen überbrückt, ehe der Erfolg eben jener Argentinier gegen Nigeria ebenfalls via Beamer verfolgt wurde. Danach war etwas Schlafpause angesagt und sich am Abend dann wieder mit Folke und Sina getroffen, die Argentiniens Erfolg sogar live im Stadion verfolgt hatten und so auch einiges berichten konnten. Die Organisation des Fanclubshuttles hatte natürlich nicht geklappt ("bitte organisiert euch Taxis":-)), aber dennoch hatten es die Beiden pünktlich zum England-USA Spiel wieder zurück ins Camp geschafft. Das besagte Abendspiel wurde dann natürlich durch Greens klassischen Patzer zu einer netten Angelegenheit und die Entdeckung des namibianischen Windhoek-Lager Pils sorgte ebenfalls für gute Stimmung. Da hatte die Kolonialzeit ganze Arbeit geleistet, denn das Nationalbier der ehemaligen deutschen Kolonie war selbstredend nach dem Reinheitsgebot gebraut. Der Abend wurde also durchaus noch etwas länger und endete erst, als der Fanclub irgendwann dazu überging, sein Musikprogramm von nervig in unerträglich zu wechseln. Prost und gute Nacht!

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